Mission Erfolg - Meine Vision mein Plan mein Weg
hätte räumen müssen. Der Verband wäre für die entstehenden Kosten aufgekommen und Gordon hätte, wenn auch als 13. Mann, dabei sein können. Gordon aber entschied sich dafür, nach Leverkusen zurückzukehren und mit seiner Mannschaft zu trainieren.
So ging es also doch zu zwölft nach Athen. Wir schlugen die Kapverdischen Inseln, Neuseeland und Brasilien. Ein Sieg gegen Kroatien und wir wären als Finalteilnehmer in Peking dabei. Doch alles, was am Tag zuvor gegen Brasilien noch gut geklappt hatte, ging schief. Die Kroaten verteidigten hart, sehr hart. Viel hatte das mit Basketball nicht mehr zu tun. Aber wir begriffen nicht gleich, wie viel der Schiedsrichter durchgehen ließ, und fingen erst an, uns zu wehren, als wir nach zehn Minuten 14:24 zurücklagen. Nach 28 Minuten konnten wir erstmals in Führung gehen, unterlagen aber letztlich 70:76.
Den ersten Matchball hatten wir damit vergeben. Nachsitzen! Noch eine Chance im Spiel um Platz drei gegen Puerto Rico. Aber plötzlich zweifelten unsere Jungs an sich, drohten in ein Motivationsloch zu fallen. Jetzt musste eine Lösung her. Jetzt war ich gefragt. Aber nicht wieder mit einem Film. So etwas darf man nicht ausreizen, trivialisieren. Die Lösung muss passen, darf nicht inflationär benutzt werden. Wenn jemand immer leise spricht, dann hört irgendwann keiner mehr zu. Wenn jemand immer schreit, fürchtet sich niemand. Es muss einen Wechsel der Stimmlage geben. Etwas Neues war gefordert. Es musste spontan kommen, durfte nicht konstruiert wirken. Da saßen 22-jährige Jungs vor mir, die keine hehren Reden hören und nicht vollgequatscht werden wollten. Es musste spielerisch, auf den Punkt gebracht, durfte nicht abschreckend sein. Die Essenz meiner Ansprache mit einem Schuss Ironie war: »Morgen, das verspreche ich euch, machen wir eines klar: schlechtes Essen und guten Sex. Das werden wir nämlich in Peking bekommen: Mensafraß und jede Menge Spaß. Schlechtes Essen und guten Sex. Also, abhaken und Puerto Rico schlagen.«
Das war eine Eingebung. Und die Jungs haben wieder gelacht. Man hat ihnen angemerkt, dass sie sich davon Bilder im Kopf machten. Egal, wen ich angesehen habe, es hat etwas bewirkt. Von da an hatten wir für die letzten Stunden des Turniers ein Motto, unser gemeinsames Motto: »Schlechtes Essen, guter Sex.« Damit quälten wir uns durchs Nachsitzen, besiegten Puerto Rico mit 96:82 – und lösten unser Olympiaticket. Dirk weinte, versuchte, seine Tränen hinter einem Handtuch zu verbergen. »Ich wollte nur allein sein, ich war nicht fähig zu feiern«, sagte er später. »Emotional hat es mich einfach zerlegt.« Erstmals seit 16 Jahren hatten wir uns für Olympia qualifiziert. Unglaublich! Was für ein Gefühl! Es kribbelte, als ich die offizielle Olympiabekleidung bekam. Es kribbelte, als ich auf mein Flugticket schaute. Es kribbelte, als die Maschine gen Peking abhob. So aufgeregt und voller Vorfreude war ich schon lange nicht mehr gewesen. Sieben Milliarden Menschen leben auf der Welt. Die besten 11 000 Sportler davon versammelten sich in Peking. Und wir mit dabei.
Schon bei den ersten Schritten im olympischen Dorf fühlte ich mich wie ein Kind im Süßigkeitenladen, das so viel naschen darf, wie es will. Das war wie die Welt in klein. Überall wuselten Menschen. Brecher mit Muskelbergen, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Zierliche Püppchen, Menschen ohne auch nur ein Gramm Fett. Stundenlang hätte ich einfach nur so dastehen und das Treiben beobachten können. Bei Welt- und Europameisterschaften wird man meist in mehr oder minder abgeschiedenen Hotels untergebracht, zum Wettkampf abgeholt und anschließend wieder zurückgefahren. Hier aber waren alle vereint. Millionäre, Menschen mit einem unfassbar großen Ego. Arme Schlucker, die ihren Sport so sehr lieben, dass sie trotz täglichem Training nebenher noch arbeiten gehen und trotz größter Titel finanziell kaum über die Runden kommen. Ich hätte Monate hier verbringen können, um mit allen zu reden und mich auszutauschen. Was hier an sportlichem Know-how herumlief, war nicht in Worte zu fassen.
Mindestens genauso beeindruckend waren aber auch die chinesischen Volunteers und Arbeiter, die Olympia funktionieren ließen. Eine Hostess, die uns immer die Tür zu unserem Wohnblock öffnete, erzählte mir, dass sie seit sechs Wochen ihre Eltern nicht mehr gesehen habe, obwohl sie nicht weit voneinander entfernt in Peking wohnen. Von sechs Uhr bis 16 Uhr arbeite sie für die Uni,
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