Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
lächeln ...
Der Auszug der Ordensritter wurde aufmerksam verfolgt. Bäuchlings lagen die Männer, eingehüllt in dunkle Umhänge mit Kapuzen, am Rande einer bewaldeten Anhöhe, die einen guten Blick auf die Kulisse der Ordensburg gewährte. Schwarz, mit unregelmäßigen Umrissen, mehr wie ein Gebirge denn eine von Menschenhand errichtete Festungsanlage, zeichnete sich das Hochstift Nissel vor den Sternen ab. Leise pfiff einer der Männer durch die Zähne. »Das ist eine hübsche Streitmacht da.« »Sie teilen sich auf. Funkeln wie die Sterne, die Anfänger«, stellte ein anderer fest.
»Zehn thulische Taler gegen eine Fuhre Pferdemist, dass in Framen und Katter gerade dasselbe passiert«, murmelte der erste. »Was meint Ihr, König Feuerbart?«
»Ich meine«, brummte Keleb, ohne dabei den Grashalm, an dem er kaute, aus dem Mund zu nehmen, »dass du, der andere Schlaumeier und vier weitere Helden, die ihr aussucht, euch an ihre Fersen heftet. Legt uns eine Spur, damit wir folgen können, sobald die Späher zurück sind. Und lasst euch nicht erwischen, sonst holt euch Araas´ dunkle Schwester in Gestalt des Erzmagiers!« Ruhig sah er den Männern zu, wie sie sich rückwärts schoben, um seine Befehle auszuführen. Er sah sie die Hufe der Pferde mit Leder und Stoff umwickeln und selbst alles ablegen, was zu scheppern oder zu klirren drohte. Selbst die Klingen rieben sie mit feuchter Erde ein, auf dass sich kein Schein an ihnen brechen könne.
Nur mit leichtem Harnisch aus Leder und mit Schwertern gerüstet, schwangen die Reiter sich in die Sättel und verschwanden nahezu lautlos in der Nacht. Zufrieden lenkte Keleb seinen Blick wieder in Richtung der Ordensritter, deren blinkende Rüstungen im Licht der Monde gut auszumachen waren. Er schätzte ihre Zahl auf etwa zwei Hundertschaften. Sollten seine Männer nicht irren, verteilten sich also im Moment rund sechshundert Schwergepanzerte im ganzen Borkenland, wohingegen er nur eine Schwadron, also drei mal zwölf Reiter, mit sich führte.
Andererseits war Keleb, der Feuerbart, Nachfolger des großen Thore und König der Menschen, durch und durch eine Kämpfernatur. Er verfügte sowohl über den nötigen Mut und die Entschlossenheit, als auch über die Fähigkeit, zu führen; und war darüber hinaus kenntnisreich in den Disziplinen der Kriegsführung: Logik, Taktik und Strategie. Schließlich, so dachte er, legen sich die Ritter Araas´ nicht mit irgendjemandem an, sondern mit dem Erzmagier Thules ; und der alte Wenduul war ein Gegner von beträchtlichem Format, wurde er herausgefordert. Dass das Ziel der Eugenier der Magier und das Kind waren, daran bestand für ihn kein Zweifel, zumal nach dem überraschenden Besuch Luthiens.
Seine Späher erwartete er in der Nacht zurück und hoffte auf erkenntnisreiche Kunde. Bis dahin allerdings würde er sich allein mit den drängenden Fragen auseinandersetzen müssen, die da lauteten: Hatte Wenduul das Kind gefunden? Bestand eine groß angelegte Verschwörung gegen Thule? Oder ging es in Wahrheit um noch Größeres, noch Schwerwiegenderes, das ihm sein väterlicher Ratgeber vor Antritt seiner Reise verschwiegen hatte? Und konnte er, Keleb, etwas dagegen unternehmen, oder würde er mehr schaden als nutzen?
Letzten Endes werdet Ihr richtig entscheiden, denn Ihr seid der König eures Volkes! So hatte Luthien gesprochen und wieder und wieder klangen seine Worte in Kelebs Gedanken nach, Bestätigung und Last gleichermaßen.
Götter und Dichter
K urz vor der einfachen, aus Brettern gefügten Tür hielt sie an. Dann atmete sie mehrmals tief durch und trotz des gerade Erlebten gelang es Anoush, ihre Fassung zurückzugewinnen. Er sah nicht auf, als sie seinen Raum betrat. »Was gibt es?« Kühl, ja fast barsch klangen seine Worte. Obwohl der Schock ihr in den Gliedern saß, wurde sie zum Lachen gereizt, aber sie verkniff es sich. Das Spiel begann. Immer noch verletzt war er. Eifersüchtig auf einen Krüppel. Ihm war wohl nicht klar, dass er mit seinem Verhalten erst bestätigte, wie wichtig sie ihm bereits war. »Es ist etwas passiert«, sagte sie, drückte die Tür ins Schloss und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Hier war sie auf vertrautem Gebiet, hier fühlte sie sich wieder sicher. Für den Moment. Erst das Erlebte selbst begreifen, ordnen, den eigenen Atem kontrollieren, den Herzschlag. Dann wartete sie ab.
Anoush konnte sehr gut warten, besonders wenn sie sich im Vorteil wähnte. Der Graue, wie sie ihn nannten, saß ihr
Weitere Kostenlose Bücher