Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
stammt er? Klingt nach jemandem aus dem Norden. Fenhuuk vielleicht? Drontsteel? Vielleicht von dort, wo auch dieser ungemein begabte Dichter herkam?« Er hörte ihr munteres Parlieren, wohl wissend, dass er nur Zeuge und Ziel ihrer Kunstfertigkeit war, vielleicht auch bereits schon wieder das Opfer. Gleichwohl er die Inszenierung durchschaute und anzweifelte, dass Anoush eines echten Gefühls mächtig war, genoss er es, manipuliert zu werden; vielleicht auch deshalb, weil sie beide sich darin so sehr ähnelten. Gefühle waren unvermeidbar, aber nebensächlich, und durften der Pflicht keinesfalls im Wege stehen. So hatte man es ihm beigebracht; und so hatte er es verinnerlicht seit den Tagen seiner Ausbildung.
»Weder noch, Schlange«, raunte er ihr zu. »Bochum, ihr würdet es wohl Bochuum sprechen.« »Bochuum. Dietriich aus Bochuum«, sang sie, »oder besser Dietriich von Bochuum ? Sag, was gefällt dir besser, Dietrich, der Graue?«
Es berührte ihn seltsam, denn für ihn klang es, als würde sie mit französischem Akzent sprechen. Sie liebte es, zu kokettieren und jetzt war sie in Hochstimmung, denn sie hatte ihm ein Geheimnis entlockt. Ob sie etwas damit anfangen konnte, war nebensächlich. Die Hauptsache war, den entgegengebrachten Widerstand zu überwinden. Zu sehen, wie Vorsätze schmolzen, war Wonne, Prinzipien zu zerstören, Passion.
Noch immer saß sie auf ihm und mit einer geübten Bewegung warf sie den Umhang ab. Darunter war sie, bis auf ein paar weiche, hochschäftige Stiefel, nackt. Sie war erregt. Immer war das so, wenn ihre Neugier befriedigt wurde. Aber noch nicht. Noch nicht. Als Dietrich nach ihr greifen wollte, entzog sie sich ihm geschickt. »Der Dichter, Liebster. Der Dichter. Wie war doch gleich sein Name?«
»Später.«
»Jetzt!«
»Goethe.«, seufzte er ergeben, »Sein Name war Johann Wolfgang von Goethe.« »Bist du endlich ...«
Weiter kam er nicht, denn Anoushs Zunge forderte die seine nun zu weitaus komplizierteren und köstlicheren Aufgaben, als dem Formen von Worten heraus und binnen Augenblicken schwamm er in Lust, seine Wahrnehmung reduzierte sich auf ihre Augen, ihre Lippen, ihre Brüste und jenes warme Zentrum, das nun den Mittelpunkt der Welt bildete.
Wieder war er eingeschlafen. Zu vollkommen war das Zusammensein mit Anoush, um nicht haltlos zu versinken und nur langsam erreichte sein Bewusstsein die Oberfläche, an der Wahrnehmung beginnen konnte; und mit der Wahrnehmung kam die Erinnerung. Er riss die Augen auf und Erleichterung durchflutete ihn. Ganz dicht war ihr Gesicht vor seinem, die Spitzen ihrer Nasen berührten sich und er küsste die ihre. Ein Lächeln war die Antwort, ihre Lider hoben sich und das Grün ihrer Augen entfaltete wieder jenen Sog, dem er sich nur zu gerne ergeben hätte. Er war nahe daran, sich völlig an sie zu verlieren und der Teil von ihm, der Pflicht und Gehorsam war, warnte ihn eindringlich davor. Sanft, doch nachdrücklich hielt er ihre Hände, die begonnen hatten, ihn streichelnd zu liebkosen und sofort wurde das Grün ihrer Augen intensiver. »Wenn du jetzt ein Wort von Brim sagst, erwürge ich dich!« Das brachte sie zum Lachen. Der Bann war gebrochen und Dietrich außer Gefahr.
Schnurrend schmiegte sich Anoush an ihn, aber sie dämpfte ihre Anziehung und ließ ihm die Illusion, durch Befriedigung, die allein sie verschaffte, Herr seiner Leidenschaft werden zu können. Denn für den Moment war auch sie zufrieden. Ihre Neugier war gestillt, die Angst eingeschläfert, sein Wille bezwungen. Schläfrig hörte sie seine Frage: »Sagst du mir nun, warum du zu mir gekommen bist? Außer deinem Interesse an Gedichten.« Wieder gluckste sie, drückte ihr Gesicht an seinen Hals, honorierte seinen Humor, schaffte es, ruhig zu bleiben.
»Aber ja«, sprach sie dann wie zu einem Kind, welches sich durch wohlgefälliges Benehmen eine Belohnung durchaus verdient hat, denn sie war jetzt bereit, zu sprechen. Das Spiel hatte ihr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten wieder erstarken lassen, der Schrecken, den sie erfahren hatte, schien ihr nun beherrschbar.
»Er war hier. Wenduul war hier.«
Mit diebischem Vergnügen beobachtete sie, welche Wirkung ihre Eröffnung auf ihn hatte. Im ersten Moment glaubte Dietrich, sich verhört zu haben. Dann zerriss die Wucht der Nachricht den Schleier der Trägheit wie ein Blitz die Nacht. »Was sagst du? Der Magier war hier? Wie kann das sein?« Schon war er halb auf, sie war unverändert geblieben, einer ihrer
Weitere Kostenlose Bücher