Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
Schriftrolle in seine Hand gelegt.
»Das hier mag Euch Kraft geben, um Euren Auftrag durchzuführen. Mag sein, es reißt Euch ins Verderben. Ich weiß es nicht zu sagen, aber es war der Wunsch Eures Vaters, dass Ihr diese Worte erhaltet und ich möchte das respektieren.« Das Gesicht des Stiftsoberen war besorgt gewesen.
»Habt Ihr es gelesen, Meister Waris?«
»Ja«, sagte der Ältere schlicht.
»Ist es denn wert, gelesen zu werden?«
Waris nahm sich Zeit für seine Antwort. »Es ist der einzige Faden zum Gewirk Eurer Vergangenheit, Rotgard von Fenhuuk und es liegt bei Euch, zu entscheiden. Euer Leben ist hier, bei den Rittern Araas und Ihr habt es, bis auf wenige Wochen, in unserer Obhut verbracht. Das hier,« sagte er auf die Rolle deutend, »ist die Vergangenheit. Eure Vergangenheit. Es nennt Eure Mutter, es nennt Euren Vater und jeder Mensch hat ein Recht, um beide zu wissen. Doch es nennt noch mehr und wird ein Verlangen nach Rache in Euch wecken.« So sprach Waris und zog die Brauen hoch, als der Jüngere ihm das Schriftstück zurückreichte.
»In diesem Falle, Meister, wird es besser sein, Ihr sagt mir, was Ihr für nötig erachtet und bewahrt es für mich, bis ich zurückkehre.«
Gelindes Erstaunen war in den Zügen Waris´ zu erkennen, aber seine geöffneten Hände signalisierten Abwehr.
»Ihr seid von vortrefflicher Beherrschung, Sturmbannführer und das ehrt Euch; und es ist Bestätigung für unser Vertrauen. Aber meine Aufgabe endet hier. Lest es oder haltet es in die Flamme, die Entscheidung darüber obliegt nur Euch alleine.«
Dann kehrte Waris zu den beiden im Schatten verborgenen Stiftsmeistern zurück und er beachtete ihre betroffenen, fragenden Mienen nicht. Lange rang der junge Sturmbannführer mit sich, aber schließlich sahen sie ihn lesen und sie sahen die Veränderung, die sich mit jeder weiteren Zeile vollzog. Er stand bewegungslos und es schien, als wäre er zu Stein geworden. Dann erwachte diese Statue wieder zum Leben und trat mit einem Gesichtsausdruck vor sie, der sie schauern machte.
»Ja, Rotgard?« Es war Waris, der fragte und der dem Blick des Ritters standhielt.
»Verzeiht, Ihr höchsten Herren, dass ich mich erneut an Euch wende, aber ich verlange den Oberbefehl über die Truppen, die zur Festsetzung des Kindes entsandt werden.«
Auch die Stiftsoberen standen wie Säulen, unbeweglich und still. Enthiss von Framen sprach als Erster und seine Stimme war kalt: »Ihr verlangt, Sturmbannführer?« Und Lordeel von Katter fügte hinzu, und auch er klang ablehnend: »Niemand erhält den Oberbefehl über die Truppen dreier Stifte. Seit drei Jahrhunderten hat sich niemand erdreistet, auch nur danach zu fragen.« »Nur der Gedanke daran ist Hochverrat gegen den König von Thule, Rotgard. Ich will um Euretwillen und ob der Botschaft, die Euch heute kund wurde, vergessen, w elch freche Rede Ihr hier führt. Geht nun!«
So sagte es Waris, Rotgards Mentor und der Meister von Nissel, und er zeigte sich erstaunt, als sich der Jüngere nicht von der Stelle bewegte. »Nehmt meinen Rang, meine Waffen und meine Rüstung. Schlagt mich ans Holz und lasst die Vögel meine Augen fressen. Ich werde von meiner Forderung nicht abgehen!«
Wieder entstand ein Moment der Stille und die Oberen tauschten einen langen Blick. Unmerklich nickte Lordeel Waris zu, worauf beide zu Enthiss sahen. Nach einem schier endlosen Moment, in dem Enthiss mit sich selbst rang, nickte auch er knapp und Waris tat einen Schritt nach vorne, auf Rotgard zu.
»Wir möchten einen jungen und so erfolgsversprechenden Ritter Araas nicht verlieren. Ihr werdet jede Schuld vom Orden fernhalten, bei Eurem Leben und Ihr werdet über dieses Gespräch niemals Zeugnis ablegen, solltet Ihr scheitern. Droht Euch die Folter, werdet Ihr gefälligst einen Weg finden, Euer Leben zu beenden, bevor Euch ein Geständnis entrissen werden kann. Habt Ihr das verstanden?«
»Ich habe verstanden und ich werde nicht scheitern«, sprach Rotgard, indem er auf die Knie sank. Wieder sahen die Meister sich an, wieder gab jeder sein Einverständnis und wieder war es Waris, der die Entscheidung kundtat. »Rotgard von Fenhuuk, Eurem Begehren wird entsprochen. Macht Euch und Eurem Orden Ehre!«
Unbewegt sahen die Meister des eugenischen Ordens zu, wie Rotgard sich erhob, eine steife Verbeugung absolvierte und mit schnellen Schritten die Krypta verließ.
Erst nachdem das Hallen seiner Schritte längst verklungen war, lange danach, begannen sie, zu
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