Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
Entscheidung treffen.
Als das Kind die Augen öffnete, sah es das Antlitz Luthiens über sich und das war ein guter Anblick. Den Tag und die Nacht hatte der Elf das Mädchen in Armen gehalten und immer wieder war sein Blick zu dem im Holz versenkten Dolch gewandert.
»Ich habe nicht geträumt«, sagte das Kind und es klang, als sei das etwas Gutes, und als wolle es damit versichern, nichts Böses getan zu haben. »Nein. Du hast sehr ruhig geschlafen«, antwortete Luthien und nickte freundlich dazu.
»Hast du gemacht, dass ich nicht geträumt habe?«
»Ich denke, die Erschöpfung nach deinem Ausbruch hat für tiefen Schlaf gesorgt. Ich hoffe jedoch, dass wir das nicht zur Gewohnheit werden lassen.«
Das Kind machte keine Anstalten aufzustehen, drehte aber das Köpfchen und besah sich die Lichtung. Bis auf wenige schwarze Stellen erschien alles in Ordnung. Frisches Gras war über Nacht gewachsen und bedeckte die Narben, die das entfesselte Feuer zurückgelassen hatte. Auch die Borke der Bäume schien erneuert und wies nur an wenigen Stellen schwärzliche Flecken auf.
»Du hast es wieder heil gemacht«, stellte es fest.
»Es war nicht so schlimm, wie es aussah«, antwortete er.
»Dann bist du mir nicht böse?«
»Das solltest du besser deine Freunde fragen«, meinte Luthien und zeigte mit dem Kopf auf die Tiere, die sich zögerlich im Halbkreis angenähert hatten.
»Deine Tiere! Weil du sie schützt«, endete der Fürst vorwurfsvoll im Scherz.
»Wie denn?«, fragte das Kind leise.
»Was möchtest du ihnen sagen?«
»Dass es mir leid tut und ich es nicht mehr tun werde«, kam sofort die Antwort des Kindes, begleitet von einem flehenden Blick. Da lächelte Luthien und begann in elfischer Sprache zu reden, und die Tiere lauschten. Wie zur Antwort rückten sie näher und näher, und schließlich sprang ein besonders mutiges Haselhörnchen dem Kind auf die Brust und ließ sich streicheln. Tränen der Erleichterung flossen aus den Augen des Mädchens und Luthien war es, als würde sein Herz erst jetzt wieder zu schlagen beginnen. So blieben sie noch eine ganze Weile und der Fürst vergaß seinen Hunger und seinen Durst, und auch, dass seine Arme gefühllos waren, so groß war die Freude ihn ihm, dass er sich gegen den Tod des Kindes entschieden hatte. Immer noch lag es in seinen Armen und kicherte nunmehr vergnügt, weil das Haselhörnchen an seinem Finger knabberte und ihr Kichern war wie das Flattern eines Vogels und wie das muntere Murmeln des Baches und wie all das, was sie doch beinahe zerstört hätte.
»Bleiben wir hier?«, fragte sie hoffnungsvoll.
Manchmal bedauerte der Elf die Unfähigkeit seines Volkes zur Lüge und dies war ein solcher Moment. »Ich fürchte, nein, und ich denke, dass wir schon bald Besuch bekommen werden, aber er wird von einer guten Art sein.«
»Ich möchte lieber keinen Besuch bekommen.«
Luthien reagierte darauf mit ruhiger Strenge. »Es ist töricht, etwas abzulehnen, bevor man es kennt. Ein Mann, ein guter und kluger Mann, und zudem von deiner Rasse, ist auf dem Wege hierher. Er hat viel auf sich genommen, um zu dir zu gelangen und er meint es gut mit dir.«
»Wird er mich fortbringen?«
»Er wird dich nach Thule mitnehmen, in die Hauptstadt der Menschen. Dort wirst du den König kennenlernen, den die Menschen den Feuerbart nennen und auch er ist ein guter Mann.«
Wenig überzeugt sah ihn das Mädchen an, denn ihr Vertrauen in die Menschen war erschüttert und auch der Elf erkannte – bei aller Feinfühligkeit, über die sein Volk verfügte – nicht das Ausmaß der Enttäuschung.
»Ich will nicht weg! Ich will nicht in diese Hauptstadt! Und ich will keine anderen Menschen!«
»Sicher hast du nicht gewollt, dass der Wald brennt und doch ist es geschehen. Der Mann aber, von dem ich spreche, wird dir helfen, deine Kräfte zu beherrschen. Ich vermag das nicht.«
Stille.
Fast konnte er sehen, wie es hinter der kleinen Stirn, auf der sich eine senkrechte Falte gebildet hatte, arbeitete. »Aber du hast wieder gut gemacht, was ich zerstört habe!«, trotzte das Kind seiner Entscheidung. »Die Magie, die Araas den Menschen zubilligte, ist von anderer Art und ich werde nicht immer richten können, was du zu verursachen in der Lage bist. So muss dich ein Mensch lehren und es gibt keinen geeigneteren als den Geistgreifer. Du kannst mir dein Vertrauen schenken. Und ihm auch.«
In einem plötzlichen Stimmungswechsel zog sie die Nase kraus und gluckste: »Das ist aber ein
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