Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
das Ganze mit seltsam milchigen Augen. Bald erreichten die Schiffchen ihren steinernen Ausgangspunkt und nun änderte sich prompt die Fließrichtung des Bachs und das Wasser trug seine Fracht wieder zu ihm. Bei ihm angekommen, wechselte die Strömung erneut und brachte die Schiffchen wieder auf ihren Heimatkurs. Gebannt folgte Luthien ihnen mit den Augen, sah sie den flachen Felsen erreichen und vor einem kleinen Paar Füßen zur Ruhe kommen. Hatte er tatsächlich gesehen, was er zu sehen glaubte? Konnte das möglich sein?
»Habe ich etwas falsch gemacht?«
Luthien reagierte rasch auf die Frage des Kindes, er schaffte es, sorglos zu klingen und er beglückwünschte sich dazu. »Was hast du denn gemacht?« Gleichzeitig versuchte er, seinen Zügen einen entspannten Ausdruck zu geben, und auch das gelang ihm in ausreichender Weise. »Nichts. Ich mochte ihnen nur nicht mehr hinterherlaufen. Das Wasser ist so kalt«, sagte das Mädchen und zeigte zur Bekräftigung auf seine Füße, die einen blassen Blauton angenommen hatten.
Unsicherheit war in der Stimme des Kindes, aber die grauen Augen strahlten nun mit einer Heftigkeit, die den Elf fast zum Blinzeln brachte. »Und was war dann?«, fragte er ruhig. Ein Schulterzucken bei seinem kleinen Gegenüber. »Habe ich mir vorgestellt, dass sie von selbst wieder zurückkommen.« »Nun«, fuhr Luthien im Plauderton fort, »das scheint dir ja gelungen zu sein.« »Und du bist nicht böse deswegen?«, hörte er das Kind fragen und es klang hoffnungsvoll, wenn auch noch eine Spur Misstrauen darin lag. »Nein. Ich bin nicht böse«, antwortete er wahrheitsgemäß. »Möchtest du mir zeigen, wie du es gemacht hast?« So fragte er und sah die Kleine überrascht nicken.
Er beobachtete, wie sie den Kopf zu den Schiffchen drehte und sich ihr Blick wieder trübte. Sofort nahmen jene Fahrt auf und erreichten nach kurzer Weile die Höhe seiner Position. Dort verhielten sie einen Moment und Luthien verfolgte das Geschehen nun mit höchster Aufmerksamkeit. Es gab keinen Zweifel. Die kleinen Boote setzten sich rückwärts in Fahrt und seine scharfen Augen sahen noch mehr. Luftbläschen, die eigentlich zur Wasseroberfläche steigen sollten, sanken in quirliger Bewegung zum sandigen Boden. Zwei Katzenfische schlängelten sich, die Schwanzflosse voran, den Bach hinauf, und als er einen kleinen Schatten auf seinem Handrücken wahrnahm, blickte Luthien auf. Ein Vogel hatte den Raum über dem kleinen Gewässer durchquert und auch er wurde, wie alles andere, durch den Willen des Mädchens auf seinen Ausgangspunkt zurück befohlen. Ruhig sah er zu, wie die Schiffe ihren steinernen Hafen erreichten und alle Dinge wieder ihren normalen Lauf nahmen.
Das Mädchen aber nahm sorgsam die kunstvoll gestalteten Schiffchen aus dem Wasser und legte sie zwischen ihre gekreuzten Beine. Der Elf schien tatsächlich nicht bös zu sein und das war eine große Beruhigung. Niemand mochte, wenn sie tat, was sie tat, und selbst Mors und Ariane waren stets besorgt gewesen. Erwartungsvoll sah sie ihn an.
»Hast du das schon öfter gemacht?«, hörte sie den Elfen fragen und schüttelte den Kopf. Sie hatte sich zwar schon oft gewünscht, sie könne etwas rückgängig machen, so, als hätte es nie stattgefunden, aber bis zum heutigen Tag hatte sie das nie wirklich versucht und so sagte sie es Luthien auch. Der Elf war aufgestanden und hatte den Platz gewechselt. Er saß nun, wie sie selbst, im Schneidersitz neben ihr, sodass sie sich berührten, denn er hatte feststellen können, wie gut ihr seine Nähe tat und die Elfen sind ebenso verständnisvoll wie freizügig in diesen Dingen. Tatsächlich entspannte sich das kleine Wesen neben ihm.
»Und du bist wirklich nicht böse?«, murmelte sie, während ihr die Augen schwer wurden. »Ich bin wirklich nicht böse, aber vielleicht solltest du einstweilen darauf verzichten, ähnliches zu versuchen, bis wir die Meinung des, ähm, Erzmagiers, dazu hören können. Willst du mir das versprechen?«
Müde nickte sie Antwort. »Ist es denn falsch gewesen?«
Was sollte er antworten? Sie ist fähig, sich der Allmacht zu bedienen und also liegt darin eine gewisse Berechtigung, es auch zu tun. Jedoch kein Zwang. Vielmehr neigt sein Volk zu der Überzeugung, dass nicht notwendigerweise alles getan werden muss, nur weil man dazu in der Lage ist. Wann immer sich die Möglichkeit dazu ergeben hat, in seinem langen Leben, versuchte er, diese wesentliche Erkenntnis mit Menschen zu teilen und
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