Mission Spyflight
Patria mit seiner Rede begann.
»Die Absicht des heutigen Seminars besteht darin, das bevorstehende Hermes-Testprogramm in allen Einzelheiten durchzugehen. Auf dem Papier sieht alles gut aus, aber der erste Feldversuch wird bald stattfinden und dann werden wir sehen, wie unser gemeinsames Projekt in der Praxis funktioniert. Während des Tests wird eine wesentlich größere Gesellschaft anwesend sein, weshalb sich dann die konstruktiven Gespräche im Rahmen halten dürften. Wir können anfangen, sobald Herr Doktor Rotkirch eintrifft«, sagte der Projektleiter |54| mit einem entschuldigenden Unterton. »Davor möchten wir Ihnen einen Kaffee und eine kleine Stärkung anbieten.«
»Wie ist es möglich, dass ein Deutscher zu spät kommt?«, wunderte sich der Sicherheitsexperte Percy Johnson mit Blick auf seine prächtige Taucheruhr. Mademoiselle Delby witzelte weiter über die Deutschen, während sich alle auf den kalt geräucherten Lachs, die karelischen Piroggen und die Eibutter stürzten.
Schließlich traf der Deutsche ein und bat vielmals um Entschuldigung. Als erster Experte sprach jemand vom VTT.
Major Andrej Sabalin fuhr mit dem roten Opel Vectra auf den Rastplatz Oritupa nördlich von Tampere. Sabalin hatte den Wagen bei einem Gebrauchtwagenhändler am Helsinkier Autobahnring gekauft und dabei seinen gefälschten Führerschein mit dem Namen Karl Mäyrä vorgelegt. Seine Fehleinschätzung bei dem Mercedes wurmte ihn immer noch und er hatte vor, das Ganze vor seinen Vorgesetzten geheim zu halten.
Er sah auf die Uhr. Der GS M-Abhörexperte der Nordwestabteilung des GRU hätte ihn schon vor fünf Minuten anrufen sollen. Sabalin wusste, dass die Handys aller Personen, die an dem Hermes-Test teilnahmen, abgehört werden sollten, sobald die Abschirmungsmechanismen geknackt waren. Aber noch war keine entsprechende Information gekommen.
Er ging auf die Toilette, kaufte sich dann eine Flasche |55| Orangensaft und fuhr weiter zum »geheimen« Testplatz des Hermes-Prototyps.
Es herrschte Sommermorgenkühle, aber Sabalin hatte Kopfschmerzen, die ein Gewitter ankündigten. Er musste sich eingestehen, dass ihn die kommende Herausforderung nervös machte. Die Aufgabe gehörte zu den schwierigsten seiner gesamten Laufbahn.
Aaro und Niko nahmen in Aaros Zimmer ein kräftiges Frühstück zu sich. Der Sommertag hatte vielversprechend angefangen: Die Sonne schien durchs Sprossenfenster und machte die Staubteilchen sichtbar, die in der Luft schwebten. Die beiden Jungen hätten eigentlich schon früh zum Sommerhaus von Nikos Verwandten auf einer kleinen Insel vor Sarvsalö aufbrechen sollen, aber irgendwie hatte sich der Aufbruch immer weiter hinausgezögert. Aaros Oma war in ihrem Laden, seine Mutter bei ihrer Arbeit im CERN in Genf und sein Vater in einem so geheimen Auftrag unterwegs, dass Aaro nicht einmal wusste, auf welchem Kontinent sich der Vater gerade aufhielt. Der Mann hatte einen außergewöhnlichen Job: Timo Nortamo arbeitete in der Verbrechensermittlungsabteilung der EU.
Nikos Telefon klingelte. Aaro hörte schon an Nikos Tonfall, dass der Anrufer ein merkwürdiges Anliegen hatte. Er blickte von der Zeitung auf und zog die Augenbrauen hoch.
»Nein … ja … doch, ist mir recht … glaub ich …«
Aaro hörte besorgt zu, wie Niko stammelte.
|56| »Ich warte dann … Danke. Wiederhören.«
Niko beendete das Gespräch und sah Aaro mit kreidebleichem Gesicht an.
»Ein Versicherungsprüfer hat angerufen. Ein gewisser Öblom«, sagte Niko.
Aaro versuchte, seinen Schreck zu verbergen. »Was wollte er?«
»Sie haben einen ausgebrannten Mercedes gefunden. Unseren Mercedes. Irgendwo im Wald von Espoo. Die Seriennummer war noch lesbar, dadurch sind sie auf mich gekommen, den rechtmäßigen Besitzer und Versicherten. Ich bin bis zum bitteren Ende der rechtmäßige Besitzer …«
Aaro schluckte entsetzt, blieb aber zu seiner eigenen Zufriedenheit kühl. »Ja? Versuch dich mal deutlich auszudrücken.«
»Der Mann wollte wissen, ob die Kripo bei mir angerufen hat. Und er will sich morgen mit mir treffen.«
Aaro starrte Niko erschrocken an und hatte nun nicht mehr den Nerv, den Coolen zu spielen.
»Er hat lauter so komisches Zeug geredet, von wegen was Versicherungsbetrug für ein schweres Verbrechen ist.«
Aaro stand auf und spürte, dass er weiche Knie hatte. »Mit anderen Worten: Der Russe hat das Auto gar nicht nach Russland gebracht … sondern es aus irgendeinem Grund
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