Mission Spyflight
sagte Sabalin unwirsch. »Ich habe schon auf deinen Anruf gewartet.«
Anatoli stand mit dem Telefon am Ohr neben Niko. Sie waren in Anatolis Zimmer im Helsinkier Stadtteil Kannelmäki.
»Gut«, sagte er auf Russisch und zwinkerte Niko zu. Dabei richtete er sich zu seiner vollen Länge von anderthalb Metern auf, die in etwa auch seiner Breite entsprach. Trotz seiner dreiundzwanzig Jahre war er noch immer pummelig wie ein Baby, was durch seine weiche, rosa Haut noch zusätzlich betont wurde. Nur der Schnurrbartbüschel unter der Nase ließ ihn ein bisschen erwachsen aussehen.
|61| »Ich rufe wegen der Sache mit dem Auto an«, fuhr Anatoli fort.
»Sind die Apparate in einem Auto?«, wunderte sich der Russe. »Ich dachte, ihr könnt heutzutage sogar von Moskau aus abhören, was in Finnland passiert.«
»Nein, hier ist jetzt ein Auto im Spiel«, redete Anatoli unverdrossen weiter, ohne seine Verwunderung zu verraten. Man durfte dem Publikum nie seine Unsicherheit zeigen. Aber was, zum Teufel, sollte er jetzt sagen? Er sah Niko an, doch von dem war keine Hilfe zu erwarten. Er hatte lediglich die Anweisung gegeben, ein Treffen zu zweit zu vereinbaren, möglichst bald. Anatoli leckte sich über die dicken Lippen und sagte: »Können wir uns wegen der Angelegenheit so bald wie möglich treffen?«
Sabalin blickte verärgert auf die Uhr. Es war schon zehn. Er würde womöglich den Hermes-Test verpassen, wenn er den Abhörexperten traf. Aber andererseits würde ohne technische Unterstützung aus der ganzen Operation nichts werden. Patria hatte sich mit den sensibelsten Abhörschutzanlagen gegen Industriespionage geschützt.
»Dir ist aber klar, dass ich mich bereits in der Nähe von Tampere befinde?«, fragte Sabalin.
»Na klar«, log Anatoli. Worum geht es hier eigentlich, fragte er sich. Niko würde auf jeden Fall das Benzingeld zahlen müssen. »In zwei Stunden bin ich in Tampere. Wo dort?«
»Südlich der Stadt, ungefähr zehn Kilometer vom Zentrum |62| entfernt, gibt es ein Einkaufszentrum namens Ideapark. Wir telefonieren, wenn wir dort sind, um Punkt zwölf. Dann vereinbaren wir den genauen Treffpunkt«, sagte der Russe.
»Prima. So machen wir es«, sagte Anatoli zufrieden und legte auf.
Niko sah ihn seltsam nervös und erwartungsvoll an. Anatoli genoss die Aufmerksamkeit aus vollem Künstlerherzen.
»Ich musste ein paar Tricks anwenden, aber das Treffen ist jetzt vereinbart«, sagte er bescheiden.
Niko seufzte erleichtert auf.
Sabalin startete den Wagen. Innerlich verwünschte er die traditionelle Geheimnistuerei des GRU, wegen der man die Identität der Außendienstmitarbeiter nie vorab kannte. Außerdem kam es immer wieder zu unnötigen Verzögerungen bei den Operationen, weil die Befehlsverhältnisse unklar waren. Ein Übel für sich war die Kommunikation. Natürlich verließ sich kein Nachrichtendienstler auf die Sicherheit von GS M-Handys , denn der Algorithmus zur Berechnung des Authentifizierungsschlüssels war schon vor ewigen Zeiten geknackt worden.
Der Major fuhr nach Tampere zurück. Das einzig Gute an der Verzögerung war, dass er Zeit hatte, in dem Einkaufszentrum zu Mittag zu essen. Er hatte die riesige Shopping Mall gesehen, als er heute früh auf dem Weg von Helsinki hierher daran vorbeigefahren war.
|63| Aaro saß mit dem Telefon in der Hand im Haus seiner Großmutter in Porvoo und sprach mit Niko. »Nach Tampere?«, wunderte er sich. »Benzingeld?«
Natürlich hatte Nikos Cousin keinen Cent in der Tasche, seinen Lohn hatte er schon in der Vorwoche komplett verdaddelt.
»Anatoli trifft sich irgendwo in Tampere mit dem Russen. Ich leihe ihm meinen MP3, damit kann er das Gespräch aufnehmen. Das müsste gehen.«
»Klar, das geht, wenn er den Mann nur richtig zum Sprechen bringt. Wir brauchen lediglich einen Beweis dafür, dass der Russe selbst das Auto zerstört hat.«
»Das wird schon klappen«, sagte Niko zuversichtlich. »Unser Nachbarvolk erzählt ja gern Geschichten.«
»Gib mir Anatolis Kontonummer, dann lass ich ihm ein bisschen Kohle anliefern«, sagte Aaro und klappte seinen Laptop auf. Niko hatte eine Schwäche für Autos, er für Computer. Er hatte es längst bereut, so viel Geld für einen neuen vergeudet zu haben, aber jetzt war es zu spät.
Niko diktierte die Nummer, dann war das Gespräch beendet.
Aaro überwies das Geld für eine Tankfüllung auf das Konto von Anatoli Lahtinen und versuchte, sich dann in ein Schachspiel gegen seinen Computer zu
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