Mission Spyflight
und genoss die Aussicht auf die Dächer von |46| Helsinki. Das Hotel Torni repräsentierte für ihn die historische Tradition der russischen Geheimdienstmaßnahmen in Finnland. Hier hatte die Kontrollkommission der Alliierten unter Leitung von General Schukow gewohnt, als Finnland nach dem Krieg auf Vordermann gebracht worden war.
Finnland war ein gehorsamer Nachbar, hier konnte man sich wie zu Hause fühlen. Sabalin überlegte, in wie vielen Ländern er schon Aufträge ausgeführt hatte, seit Jahren führte er darüber nicht mehr Buch, aber es mussten mehrere Dutzend sein. Die Arbeit hinderte ihn daran, Freundschaften zu schließen, bei jeder Operation besaß er eine andere Deckidentität. Seine Arbeit war einsam, aber das passte zu seiner misstrauischen Natur. Er hatte fast sämtliche bedeutenden Museen der Welt besucht, hatte großartige Aufführungen gesehen und bei Hunderten Wissenschaftsseminaren zugehört. Das alles war für ihn ein willkommener Ausgleich zu der Skrupellosigkeit und Brutalität, die er in seiner Arbeit ertragen und anwenden musste. Bisweilen beneidete er dennoch die Menschen, die immer sie selbst sein durften.
Der Major öffnete seinen Laptop und begann, im Internet nach einem Gebrauchtwagen zu suchen. Wegen der hohen Wichtigkeitsstufe der Operation verfügte Sabalin über reichlich Mittel, weshalb er in den Tax-free-Angeboten zuerst unter Mercedes-Benz, BMW und Audi suchte. Er war der Meinung, dass ein bisschen Luxus bei Auslandsoperationen nur recht und billig war.
|47| Nikos Telefon zwitscherte dreimal. Aaro, der auf dem Bett lag, schoss wie ein Blitz hoch. Konnte das schon ein Autokäufer sein?
Aaro meldete sich, denn Niko hatte ihm die Aufgabe des Anrufbeantworters übertragen, für den Fall, dass die potenziellen Käufer etwas anderes als Finnisch redeten.
»Guten Tag …
Hello, yes, I am
…«, fing Aaro an und nickte Niko zu, der es sich mit seiner PSP am Schreibtisch gemütlich gemacht hatte. Im Nu vereinbarte Aaro ein Treffen und unterbrach dann die Verbindung.
»Hat es schon geklappt?«, fragte Niko.
»Das war ein russischer Ingenieur, der das Auto zu seinem eigenen Gebrauch nach Wyborg exportieren will. Zahlt angeblich bar.« Aaro gab sich erst gar keine Mühe, seine Zuversicht zu verbergen.
»Wann und wo zeigen wir ihm den Schlitten?«
»In einer Stunde in Helsinki, im Stadtteil Herttoniemi. Los geht’s.«
Sie setzten sich ins Auto. Niko steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn aber nicht sofort um.
»Was ist?«, wollte Aaro wissen. »Mach hin, damit wir rechtzeitig da sind!«
»Falls das jetzt das letzte Mal sein sollte … dann will ich mich später an diesen Augenblick vor dem Starten des Motors erinnern«, sagte Niko leicht geknickt.
Der Mann mit dem beigefarbenen Leinenanzug und dem bunten Sommerhemd stand vor der U-Bahn -Station Herttoniemi und blickte immer wieder auf die Uhr. Niko |48| und Aaro hatten den Mercedes in der Laivalahdenkatu geparkt und kamen keuchend angelaufen. Der Mann schien sie überhaupt nicht zu bemerken, bis sie unmittelbar vor ihm standen.
»Das hier ist Erkki«, sagte Aaro und deutete auf Niko. »Ich übersetze für ihn, weil er nicht so gut Englisch kann.«
Sie hatten ausgemacht, das Auto unter falschem Namen zu verkaufen. Es war eher unwahrscheinlich, dass bei so einem Geschäft auf der Straße jemand nach dem Ausweis fragte. Der Russe gab ihnen die Hand und wollte sofort den Wagen sehen.
Aaro ging hinter dem Mann und Niko die Straße entlang. Trotz des locker sitzenden Sommeranzugs blieb Aaro nicht verborgen, wie sehnig und durchtrainiert der Mann war. Schon von Weitem stach der glänzende E-Klasse -Mercedes aus der Schar der staubigen Autos am Straßenrand hervor. Der Mann und das Auto passten sonderbar gut zueinander, sie besaßen die gleiche Klarheit und Effektivität.
»Der ist allerdings nicht besonders gepflegt«, fing der Russe an. Er sah sich den Wagen an und nannte die Mängel, die möglicherweise in nächster Zeit auftreten würden. Auch während der kurzen Probefahrt nörgelte er fortwährend, über die zu weiche Lenkung, die diffuse Beschleunigung und die trägen Bremsen. Aaro war innerlich dankbar, dass Nikos Englischkenntnisse sich nicht auf autotechnisches Vokabular erstreckten, denn ihm wären bestimmt bittere Tränen gekommen, wenn er |49| sich die strenge Kritik des Russen hätte anhören müssen.
Aaro begriff, dass der Russe den Preis möglichst weit drücken wollte, das war eindeutig. Er
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