Mission Spyflight
Guayana abzustürzen. Zwar haben sie im Zivilbereich den Airbus, aber was alles andere betrifft, habe ich meine Zweifel …«
»Wir sind keine Luftkriegexperten, Igor. Unsere Aufgabe ist eindeutig: die kleine Maschine so gut es geht fotografieren und dann die Entscheidungen über die weiteren Maßnahmen abwarten.«
»Könnte das heißen, dass wir länger in Finnland bleiben?«, fragte Igor. Sabalin fiel der Eifer in der Stimme seines Kollegen auf. Igors voriger Auslandseinsatz hatte mit den Sicherheitsanlagen des Grenzschutzes von Moldau zu tun gehabt und zwei lange Wochen gedauert.
Es war sinnvoll, weiten Abstand zu dem roten Vectra zu halten, aber Niko musste die Distanz etwas verkürzen, als sie Ruovesi erreichten. Auf der Fahrt durch die trockenen Kiefernwälder war die Zeit schnell vergangen. Jetzt waren sie wieder von grünen Laubbäumen umgeben.
»Ich war noch nie so weit im Norden«, sagte Anatoli auf der Rückbank. »Müssten wir nicht bald Rentiere und Samen sehen?«
»Hier hat es zuletzt im Mittelalter Samen gegeben«, sagte Aaro. »Rentiere siehst du, wenn wir noch sechshundert Kilometer weiter fahren. Aber Ruovesi ist ziemlich berühmt. Hier hat Runeberg seine Gedichte geschrieben.«
»Wer ist das?«, fragte Anatoli gelangweilt.
»Der ist in Finnland das, was Puschkin in Russland ist. Ein Nationaldichter«, hörte Aaro Niko sagen und warf |87| seinem Freund einen kurzen Blick aus dem Augenwinkel zu. An Niko traten bisweilen überraschende Züge zutage.
»Achtung!«, rief Aaro plötzlich. Niko hatte die dicke alte Frau nicht gesehen, die mit einem Tretschlitten, an den Rollen montiert waren, die Straße überquerte. Jetzt bremste er heftig und brachte den Fiesta gerade so vor dem Zebrastreifen zum Stehen. Die alte Frau schenkte dem Auto überhaupt keine Beachtung, sondern setzte gemächlich ihren Weg fort.
Niko schlug mit der Handfläche aufs Lenkrad. Sein Gesicht war rot angelaufen. Aaro blickte die leicht abfallende Dorfstraße entlang. Der rote Vectra der Russen war nicht mehr zu sehen.
»Gib Gas, sie sind verschwunden«, sagte er zu Niko.
»Wenn sie weg sind, können wir ja nach Helsinki zurückfahren«, schlug Anatoli mit dünner Stimme vor.
|88| 17
Im östlichen Teil der Gemeinde Ruovesi lag ein See und daneben dehnte sich ein großes, ausgetrocknetes Moor aus. Durch Drainagegräben hatte sich der Sumpf in eine trockene Fläche verwandelt, die man über eine Forststraße durch einen Wald erreichte. Das nächste Haus war neun Kilometer entfernt.
Drei Lastwagen und zwei armeegraue Kleinbusse waren über die Forststraße auf das offene Gelände gekommen. Sie standen im Kreis um eine Traglufthalle mit grün-braunem Tarnmuster. Daneben qualmte und tuckerte ein Kompressor, der Luft in die Halle pumpte.
In der zehn auf zehn Meter großen Halle befand sich ein Gegenstand, der mit einer Plane abgedeckt war. Darum herum hatten sich mehrere Personen versammelt. EAD S-Ingenieure aus verschiedenen Ländern sowie Experten unter der Leitung von Rotkirch und Delby hörten stumm zu, was der finnische Minister zu sagen hatte. Anwesend war auch Teuvo Makkonen, der Abteilungsleiter des staatlichen Forschungsinstituts VTT, der heftig schwitzte und sich immer wieder mit einem Stofftaschentuch den Schweiß aus dem Gesicht wischte. Die Ingenieure |89| von Patria unterhielten sich außerhalb der Halle über die Einstellungen des Steuerpults.
Etwas abseits verfolgten die Sicherheitsexperten Kari Sinkko von Patria und Percy Johnson von EADS den Gang der Dinge.
Die Rede eines Ministers ist eben die Rede eines Ministers, dachte Sinkko. Alle Anwesenden wussten nur zu gut, dass Makkonen den Minister nur deshalb zu dem Test geschleift hatte, weil er vom finnischen Staat weitere Unterstützung für das Projekt haben wollte. Sinkko blickte auf die Uhr. Es war fünf vor halb vier. Trotz der unnützen Reden würden die Finnen mal wieder pünktlich sein, dachte er zufrieden. Der Test würde sich nicht verzögern.
Schließlich beendete der Minister seine Rede und Sinkko winkte den beiden Mechanikern. Die Männer schlugen die Plane zurück, was unweigerlich ein bisschen feierlich aussah.
Das Publikum atmete kurz durch. In natura war das Fluggerät kleiner, als sie es sich nach den Computerdarstellungen vorgestellt hatten. Mit seinen Klappflügeln und drehbaren Propellern erinnerte es eher an ein ferngesteuertes Modellflugzeug als an eine ernst zu nehmende Aufklärungsmaschine. Projektleiter Palosuo trat vor und
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