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Mission Spyflight

Mission Spyflight

Titel: Mission Spyflight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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und hoben ihn mit einem Ruck auf den Hubwagen. Sabalin richtete sich auf und packte gemeinsam mit Igor den Zuggriff des Hubwagens an. Sein Blick streifte kurz die Beifahrertür und richtete sich schon fast wieder auf den Hubwagen, schnellte dann aber zurück.
    Er sah einen schmalen, schwarzen Spalt. Die Tür war nicht richtig zu.
     
    Aaro keuchte mit brennender Lunge. Sein linkes Knie schmerzte und er hatte sich den Ellenbogen blutig geschrammt, aber er hielt keinen Moment an. Er robbte weiter, krümmte und streckte sich abwechselnd, ein ums andere Mal, immer wieder und wieder. Das war die einzige Methode, mit gefesselten Händen und Füßen vorwärtszukommen.
    Zuerst hatte er Asphalt unter sich gehabt, dann einen Streifen Sand, dann Gras und schließlich einen Dschungel aus Blaubeersträuchern. Er hatte das Gefühl, schon viele Hundert Meter gerobbt zu sein, aber ein hastiger Blick zurück zu den Fahrzeugen, die durch die Bäume und Sträucher schimmerten, verriet die bittere Wahrheit: Es waren vielleicht zwanzig, dreißig Meter.
    Die Männer würden jeden Moment losrennen und nach ihm suchen. Seine einzige Überlebenschance bestand darin, in ein Versteck zu gelangen, weit genug weg, und |143| dort abzuwarten. Ein Vorwärtsrutschen von einem halben Meter raubte ihm so viel Kraft wie ein Fünfzigmetersprint. Warum gehe ich nie joggen?, schimpfte er auf sich selbst. Die einzigen Muskeln, die er in letzter Zeit ausführlich trainiert hatte, waren diejenigen, die man brauchte, um die Computermaus zu betätigen.
     
    »Ich hätte es wissen müssen«, zischte Sabalin und winkte seine Komplizen zu sich. Er schlug die Beifahrertür unnötig gewaltsam zu und teilte den Männern Sektoren zu, in denen sie nach dem Finnen suchen sollten. »Wegen diesem verfluchten Bengel verlieren wir kostbare Zeit!«
    Die vier Männer begaben sich ins Gelände und energische Handzeichen lenkten ihr systematisches Voranschreiten. Der Junge konnte nicht weit sein, denn seine Hände und Füße waren mit starken Kabelbindern gefesselt. Trotzdem verriet der verzweifelte Fluchtversuch Erfindungsreichtum und Mut, was Sabalin durchaus Respekt abnötigte. Man durfte nie aufgeben. Er selbst hätte es genauso gemacht. Das hatte er schon in seinen hitzigen Jugendjahren in einem Erziehungsheim in Moskau gelernt. Für seine Mutter war es eine harte Zeit gewesen, aber dort hatte er gelernt, sich zu verteidigen. Der kleine Finne, der in Watte gepackt aufwuchs, würde ein paar typisch russische Erziehungsmethoden zu schmecken bekommen, sobald sie ihn erwischt hätten. Sabalin ballte die Fäuste und spürte, wie die alten Wunden an seinem Rücken zu glühen begannen.
     
    |144| Das Zuschlagen der Tür hatte in Aaros Ohren wie ein Schuss geklungen, er war erstarrt, aber dann sofort mühsam weitergerobbt   – es gab keine andere Möglichkeit. Er hatte das Gefühl, ganz neue Energievorräte in sich zu entdecken, und kam nun schneller voran, als er es sich zugetraut hatte. Sein T-Shirt war längst zerrissen und aus den Schürfwunden sickerte Blut.
    Vor sich hörte er Wasser plätschern. Und irgendwo links hinter ihm, ganz in der Nähe, knackte ein Zweig unter einem Schuh. Aaro erstarrte auf der Stelle. Die Schritte kamen immer näher. Er war sicher, jeden Moment erwischt zu werden. Das Unterholz war allerdings dicht und tatsächlich ging einer der Männer in etwa zehn Metern Abstand an ihm vorbei.
    Aber er würde bald zurückkommen oder einer seiner Komplizen käme aus etwas anderem Winkel. Möglichst lautlos mühte sich Aaro weiter voran. Das Plätschern rückte näher.
    Plötzlich hielt er inne. Vor ihm wuchs Wiesenkerbel. Ohne einen Moment zu zögern, schlug er die Zähne in den dicken Stiel der Pflanze und biss ihn durch. Das bittere Aroma des Gewächses breitete sich in seinem Mund aus. Wie ein Hund seinen Knochen drehte er den Stiel quer und biss den Blütenstand ab, sodass ein etwa dreißig Zentimeter langes Stück vom Stiel übrig blieb.
    Mit dem Pflanzenrohr im Mund blickte sich Aaro nach allen Seiten um, dann rutschte er in den Graben mit dem fließenden Wasser hinunter, immer tiefer, bis zum |145| schlammigen Grund des Baches. Das Wasser war kalt. Aaro legte sich auf den Rücken und hielt den Pflanzenstiel als Schnorchel nach oben, wagte es aber noch nicht, Atem zu holen. Ragte die Öffnung schon in die Luft? Kaum dachte er das, bekam er auch schon schlammiges Wasser in den Mund und musste es schlucken, bevor er das Rohr wieder in die Höhe richten

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