Mission Spyflight
fragte Oleg und schaltete einen Gang höher. Der Luftzug ließ seine Haare flattern.
»Keine Ahnung. Vielleicht Leute aus der Gegend, die angeheuert worden sind. Für Ausländer ist es fast unmöglich, in diesem Land zu agieren, wegen der Sprache.«
»Aber wer soll sie angeheuert haben? Die Chinesen? Die Amis? Oder jemand anders?«
»Vielleicht wird sich das noch herausstellen. Aber unsere Aufgabe besteht auf jeden Fall darin, dafür zu sorgen, dass die Typen ihr Honorar nicht bekommen, jedenfalls nicht für das Entführen von Hermes.«
Irgendwo in der Ferne ertönte das Rufen eines Kuckucks und vermischte sich mit dem träumerischen Rauschen der dunklen Fichten im leichten Wind. Im Straßengraben kam langsam ein schwarz gekleideter Mann zu Bewusstsein und fuhr sich mit einer matten Bewegung übers Gesicht, als wollte er dort etwas Überflüssiges entfernen.
|135| Er blickte auf seine beiden ohnmächtigen Kameraden und dann auf die Uhr. Dabei rutschte der Ärmel seines Overalls nach oben und entblößte den tätowierten Drachen auf dem Handrücken. Die Bewusstlosigkeit hatte fast zehn Minuten gedauert.
Der Mann seufzte tief. Er hatte noch den bitteren Gasgeschmack im Mund. Ein Motorgeräusch kam näher, er weckte seine Kameraden, die sich langsam aufsetzten und die Schläfen rieben.
Der Tätowierte rappelte sich auf. Das Auto drosselte die Geschwindigkeit und hielt neben den Männern an. Das Fenster ging auf und das grell geschminkte Gesicht einer Frau mittleren Alters erschien. Sie musterte die matten Bewegungen des Trios. Dann bildete sich so etwas wie ein verständnisvolles Lächeln auf ihren Lippen, doch sie schien noch nicht so genau zu wissen, was sie von der Situation halten sollte.
»Was ist passiert?«, erkundigte sie sich vorsichtig. »Kann ich irgendwie helfen?«
»Kein Problem«, sagte der Tätowierte hustend. »Wir haben bloß ein bisschen zu lang gefeiert.«
»Was gibt’s hier mitten im Wald denn zu feiern?«
»Den Junggesellenabschied von einem Kumpel«, sagte der Mann und verzog das Gesicht zu einem gezwungenen Grinsen. »Motto Kommandotrupp …«
»Und wer ist der Glückliche?«, fragte die Frau schmunzelnd.
»Der Glückliche?«
»Na, der Bräutigam.«
|136| »Ach so, der. Der ist mal eben kurz hinter einem Baum verschwunden«, sagte der Tätowierte nervös.
»Passt mir nur gut auf den Bräutigam auf, ich weiß noch, wie …«
»Sie können weiterfahren«, schnauzte der Mann sie an.
Die Frau zuckte zusammen und zog den Kopf ein.
»Treten Sie endlich aufs Gas!«
|137| 25
Zehn Kilometer vor der Kleinstadt Jämsä bog Oleg auf einen Parkplatz ein. Vor dem heruntergekommenen Toilettenhäuschen stand ein nagelneuer Lastwagen mit deutschem Kennzeichen. Auf der Hecktür war deutlich das TI R-Schild zu erkennen. Das war die internationale Zollgenehmigung und bedeutete, dass die Fracht, die das Fahrzeug geladen hatte, am Abfahrts- und am Zielort verzollt wurde, nicht an den dazwischenliegenden Grenzübergängen, die es daher nach nur wenigen Formalitäten passieren durfte.
Der Fahrer des Scania stand rauchend neben seinem Truck und winkte den Ankömmlingen zu. Oleg fuhr rückwärts hinter den Lkw. Sabalin stieg aus und warf dabei einen kurzen Blick auf den gefesselten Jungen im Fußraum, der in diesem Moment seine Neugier ziemlich stark bereute.
Aaro blieb der ausdruckslose Blick des Mannes beim Aussteigen nicht verborgen. Es war ein Blick, der auch eine würgende Boa zum Erstarren gebracht hätte.
Der Fahrer stieg ebenfalls aus und schloss die Türen ab. Im Lieferwagen herrschte drückende Stille, die Aaro stärker |138| die Kehle zuschnürte, als die Anwesenheit der Männer es getan hatte. Spätestens seit der Mercedesmann das Feuerzeug mit dem eingebauten Sender benutzt hatte, war ihm klar, dass hier Topprofis am Werk waren, wahrscheinlich im Auftrag des russischen Staates. Und das veranlasste ihn, noch einmal ernsthaft über Flucht nachzudenken.
Aber wer waren dann die Angreifer mit der Traktorstraßensperre? Wie es aussah, interessierten sich mehrere Seiten für die Ladung des Lieferwagens, und zwar sehr.
Aaro versuchte, sich vorsichtig auf den Sitz hinaufzuschieben, aber seine gefesselten Beine waren wie taub. Er sank wieder in den Fußraum zurück, denn die hinter dem Rücken gefesselten Hände waren als Hilfe nicht zu gebrauchen.
Was hatte Niko getan, als er merkte, dass Aaro verschwunden war? Hatte er abgewartet oder die Polizei verständigt? Und was konnte
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