Mission Spyflight
die Polizei unternehmen?
Noch einmal versuchte Aaro, sich aufzurichten, und diesmal gelang es ihm besser. Er brachte die Stirn bis zum unteren Rand des Seitenfensters und schließlich die Knie auf den Sitz. Es brannte in den eingeschlafenen Beinen.
Durch das Seitenfenster sah er nichts als dichtes Gebüsch und Bäume. Nach den Geräuschen zu schließen rauschten dahinter Autos vorbei. Warum hatten die es alle so eilig?
Mit aller Anstrengung richtete sich Aaro weiter auf, um in den Rückspiegel sehen zu können. Was er dort sah, ließ ihn zusammenzucken: Unmittelbar hinter dem Lieferwagen |139| stand ein Laster, neben dem sich die Männer unterhielten. Der Mercedesfahrer gestikulierte, er war eindeutig der Boss.
Es war wohl sinnlos zu hoffen, dass ein Fremder auf den Parkplatz gefahren kam. Das Gelände ringsum war nicht besonders idyllisch. Aaro fragte sich darum, ob er versuchen sollte, aus dem Wagen zu kommen, falls die Männer wenigstens kurz aus dem Blickfeld verschwanden.
Das Risiko, erwischt zu werden, war groß, denn er käme nur robbend und hüpfend voran. Aber war das Risiko nicht wesentlich größer, wenn er im Wagen blieb?
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als der Mercedesmann auf den Lieferwagen zuging. Schnell duckte sich Aaro. Wenn er den Russen im Spiegel sehen konnte, konnte dieser auch ihn sehen. Dann hörte man im Laderaum das Wimmern einer Hydraulikpumpe.
Die Entscheidung, einen Fluchtversuch zu wagen, festigte sich schnell. Wenn er es jetzt nicht riskierte, würde er es vielleicht sein Leben lang bereuen – also vermutlich eine Stunde oder einen Tag lang, dachte er realistisch. Und dieser Gedanke erfüllte ihn mit erstaunlicher Energie, mit Wachsamkeit und Mut.
|140| 26
Sabalin stand hinter dem Lieferwagen und ließ die hydraulische Hebebühne herab. Sie bewegte sich so langsam, dass es ihn schier verrückt machte. Er hustete wegen der stinkenden Wolke, die aus dem Auspuff des Scania quoll, als der Fahrer noch ein Stück zurücksetzte. Oleg gab ihm mit der Hand Zeichen.
Der vorab sorgfältig ausgewählte Umladeplatz war von der Straße her schlecht einzusehen. Das größte Risiko bestand darin, dass zufällig ein paar Touristen auf dem Parkplatz anhielten, und Sabalin hoffte sehr, dass dies nicht passieren würde.
Endlich befand sich die Hebebühne in waagerechter Position und Sabalin konnte die Hecktüren des Lieferwagens öffnen. Igor, der im Laderaum gesessen hatte, sprang heraus. Sabalin richtete den Blick jedoch nach vorne zum Führerhaus. Dessen Türen bekam man von innen auf und der Junge da drin schien Grips zu haben, auch wenn er sich zu Tode fürchtete. Angst und Köpfchen – das war eine gefährliche Kombination.
»Ich habe die eingeklappten Flügel am Rumpf befestigen können, das macht den weiteren Transport einfacher«, sagte Igor.
|141| »Gut«, brummte Sabalin. Man musste seine Untergebenen loben, das hatte er seinerzeit bei der Ausbildung des GRU gelernt.
Damals war er der Beste seiner Ausbildungsgruppe gewesen. Von den alten Füchsen hatte er sämtliche Feinheiten der Geheimdienst- und Sabotagetätigkeit gelernt, außerdem waren sie in Nahkampftechnik gedrillt worden. Bei allen Übungen wurde jedes Mal mehr verlangt, man musste länger den Atem anhalten, sich mehr fremdsprachige Wörter einprägen, aus größerer Höhe nach unten springen, mehr Gesichter auf Bildern erkennen.
Sabalin und Oleg ergriffen zusammen den Rumpf des Hermes-Fluggeräts und zogen ihn auf die Hebebühne. Der Lkw-Fahrer half ihnen dabei. Igor schob inzwischen den Hubwagen mit den kleinen Rollen hinter das Auto.
Jetzt oder nie.
Aaro hörte laute Geräusche aus dem Laderaum. Drei Männer waren im Inneren des Lieferwagens. Mit pochendem Herzen starrte er in den Seitenspiegel. Den vierten Mann sah man von hinten, in ungefähr zehn Metern Entfernung, er beugte sich gerade über den Hubwagen.
Aaro tastete mühsam nach dem Türgriff. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt und spähte hinaus. Jetzt war der Mann nicht mehr zu sehen. Aaro stützte sich mit den Ellbogen auf den Sitz, ließ seine gefesselten Beine schnell auf die Erde hinab und drückte vorsichtig die Tür zu. Sie rastete nicht richtig ein, aber er wagte es nicht, mehr Kraft einzusetzen und Lärm zu verursachen.
|142| Ungeduldig sah Sabalin zu, wie Hermes auf der stählernen Hebebühne nach unten fuhr. Die Hydraulik wimmerte, bis er die Bewegung mit einem Schalter stoppte.
Zu viert packten die Männer den Rumpf
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