Mission Spyflight
der nordischen Sommernacht hatte sich über die Landschaft |172| gelegt, über dem Gras war bereits dünner Nebel zu erkennen.
Mattila öffnete die Mail. Sie stammte von der Einsatzleitung, direkt vom Büro des Oberkommandierenden der Polizei. Es war eine knappe Nachricht:
»SÄMTLICHE DEUTSCHEN LKW MIT FRISCHKOFFERAUFBAU, DIE SICH IM UMKREIS VON HUNDERT KILOMETERN VON KOUVOLA ODER IN DER NÄHE DER GRENZE BEFINDEN, MÜSSEN ANGEHALTEN WERDEN. MÖGLICHE AUFSCHRIFT: GEMÜSE.«
Der Zollchef verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. Aha, Gemüse. Er blickte zur Schranke.
Sie öffnete sich langsam vor einem grünen Lkw, der gerade den Motor anließ. Auf dem Ladekoffer war deutlich die Aufschrift »HERBERT KÖHLER GEMÜSE GmbH« zu erkennen. Darüber waren zwei Gurken und eine Tomate gemalt.
»Schranke schließen!«, brüllte Mattila ins Mikrofon für die Außenlautsprecher. »Sofort die Schranke schließen!«
Major Sabalin hatte seine Nerven gut im Griff. Als die Schranke aufging, ließ er den Lkw langsam nach vorne rollen, mit normaler Geschwindigkeit. Und dies trotz der Tatsache, dass drüben, an der russischen Grenzstation, mit Sicherheit schon ein GR U-Offizier wartete und ihn auch mit durchgetretenem Gaspedal die Grenzzone passieren |173| lassen würde. Aber es hatte keinen Sinn, die Finnen in Unruhe zu versetzen, zumal sie seinen Lkw nicht in Verdacht hatten.
Er trat vorsichtig etwas stärker aufs Gaspedal und blickte in den Rückspiegel. Plötzlich waren vor dem Zollgebäude zwei Zollbeamte und zwei Grenzschützer aufgetaucht, die aufgeregt miteinander redeten. Einer von ihnen schrie in ein Telefon. Aus den Außenlautsprechern kam ein kratzendes Kommando, das der Major nicht verstand.
Und gleich darauf senkte sich die gestreifte Schranke wieder, nur zwei Meter vor Sabalins Lkw.
Die Entscheidung des Majors kam schnell. Er trat heftig aufs Gas. Der Scania brauste auf und der Kühlergrill fegte den Kunststoffschlagbaum zur Seite wie ein Streichholz. Sabalin beschleunigte konzentriert und blickte kurz in den Rückspiegel.
Die vier Beamten, die vor dem Gebäude gestanden hatten, rannten ihm hinterher in den Niemandslandbereich. Einer von ihnen hielt eine Pistole in der Hand. An einem Pfosten auf der russischen Seite der Grenze fing ein rotes Licht an zu blinken.
Der Major beschleunigte weiter und sah erneut in den Spiegel. Das Quartett war zehn Meter hinter dem Schlagbaum stehen geblieben und wirkte ratlos. Von der Grenzstation aus lief ein stämmiger Mann in Zivil zu ihnen.
Wenig später hießen die weiß-blau-roten Farben der russischen Föderation Sabalin willkommen. Er fuhr unter der geöffneten Schranke hindurch auf die Ostseite und unmittelbar danach wurde der Scania auf den Hof hinter |174| dem russischen Zollgebäude geleitet. Mit Kalaschnikows bewaffnete Soldaten befahlen dem Major auszusteigen.
Sabalin stand mit erhobenen Händen neben einem schrottreifen Mannschaftstransportwagen. Wo, zum Teufel, blieb der Verbindungsoffizier vom GRU? Warum senkten die Soldaten nicht die Waffen und nahmen ihn freundlich in der Heimat in Empfang?
Ein dicker Mann vom Rang eines Majors der Miliz kam auf den Hof geeilt und befahl den Soldaten, die Waffen herunterzunehmen. Sabalin ließ die Hände fallen und begrüßte den Mann.
»Major Sabalin, GRU, Sonderoperationen«, sagte er zu dem Offizier. »Ich habe eine Nummer in Moskau, die Sie wegen weiterer Anweisungen anrufen können, falls niemand vom Militärgeheimdienst hier sein sollte.«
Der Mann von der Miliz starrte ihn an und nahm dann misstrauisch den Zettel mit der Telefonnummer entgegen.
»Wir haben eine neue Organisation«, sagte er würdevoll. »Der GRU besitzt keine Handlungsbefugnisse mehr im Grenzgürtel. Die Finnen scheinen Probleme mit Ihrem Lkw gehabt zu haben.«
In dem Moment klingelte das Telefon des dicken Offiziers. Er meldete sich mürrisch und knurrte ein paar englische Wörter. Nachdem er das Telefonat beendet hatte, musterte er Sabalin streng. »Die finnischen Kollegen sagen, sie hätten den Verdacht, dass in einem deutschen Lkw wie diesem eine illegale Ladung transportiert wird. Sogar von Menschenschmuggel ist die Rede.«
|175| Sprachlos starrte Major Sabalin den Offizier an. Er wusste, dass jeder Widerspruch sinnlos war. Der Mann von der Miliz hatte jetzt die Oberhand und schien eindeutig darauf bedacht zu sein, dem GRU eins auszuwischen, da sich nun einmal die Gelegenheit dazu bot. Dies war eine unerwartete Wendung des
Weitere Kostenlose Bücher