Mission Spyflight
Geschehens, und zwar an einem völlig unvorhersehbaren Punkt des Einsatzes, aber Sabalin blieb trotzdem ruhig.
»Öffnet die Plomben und die Türen!«, schnauzte der Milizmajor seine Untergebenen an, die sich sofort daranmachten, die Plombe an der Hecktür mit dem Stemmeisen aufzubrechen.
Unmerklich trat Sabalin näher an den Lkw heran. Es war, als hörte man von drinnen ein gedämpftes Klopfen. Der Milizmajor wischte sich mit einem karierten Taschentuch den Schweiß aus dem Kragen und steckte sich dann eine amerikanische Filterzigarette an. Ein metallisches Quietschen ertönte, als die Soldaten die Türverriegelung öffneten.
Auf der anderen Seite der Baracke hörte man einen im dritten Gang aufheulenden Automotor. Die Soldaten, die mit dem Öffnen des Lkw beschäftigt waren, konzentrierten sich auf ihre Arbeit. Major Sabalin atmete tief durch. Der überhebliche Milizmajor trat seine Zigarette aus. Ein dunkelblauer VW Touran mit verdunkelten Scheiben kam auf den Hof geschossen. Vier kurzhaarige Männer in Zivil sprangen heraus.
Sabalin erkannte sofort den Gruppenführer, den grauhaarigen Oberst Gabriel Volkow, ein Veteran der Kriege |176| in Tschetschenien und Afghanistan, der häufig Sonderoperationen des GRU im Militärbereich Leningrad durchführte.
Der Milizmajor salutierte. Volkow nickte Sabalin kurz zu und marschierte direkt zur Hecktür des Lkw. Er schlug die Metallriegel wieder zu, riss die aufgebrochene Plombe ab und warf sie auf den Boden.
»Okay, Sabalin«, sagte Volkow grinsend, »du fährst mit dem Lkw hinter uns her. Das Gemüse wird nach Norden gebracht, wo es am dringendsten gebraucht wird.«
Volkow warf nicht einmal einen kurzen Blick auf den Milizmajor, als er den Touran startete. Sabalin sprang in den Lastwagen und wendete auf dem engen, schlammigen Hof. Als Letztes sah er, wie der Milizoffizier kleinlaut in sein Handy sprach.
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Im großen Konferenzraum der Zentralen Kriminalpolizei in Vantaa hatte sich eine Gruppe Männer mit ernsten Mienen versammelt. Es war fast Mitternacht. Die Vertreter von Patria und dem Innenministerium hörten sich den Lagebericht von Kommissar Tero Kekkonen an. Am anderen Ende des Birkenfurniertisches, gegenüber von Kekkonen, saß Aaro Karppinen, ein Oberinspektor der Sicherheitspolizei, und schrieb nervös etwas ins E-Mail -Programm seines Laptops.
»Derzeit sieht es so aus, als wäre Hermes über die Grenze geschafft worden. Was die Lage aber außergewöhnlich macht, ist der Umstand, dass möglicherweise ein vierzehnjähriger Junge aus Porvoo mit dem Lastwagen verschwunden ist«, erklärte Kekkonen. »Hermes existiert offiziell ja gar nicht, aber die mögliche Freiheitsberaubung eines finnischen Staatsbürgers und dessen unfreiwilliger Transport über die Grenze ist da schon eine ganz andere Geschichte.«
»Woher stammt die Information über den Jungen?«, wollte Karppinen wissen.
»Der Freund des Jungen wird gerade hierhergebracht.«
»Sollten wir das Außenministerium in den Fall einbeziehen?«, fragte Karppinen.
|178| »Das Auswärtige Amt ist informiert, es wird jemand von dort kommen, sobald sie entschieden haben, welche Abteilung für den Fall zuständig ist. Das kann also noch ein paar Stunden dauern. Der Sonderberater des Ministerpräsidenten hingegen sagt, der Premier werde sich mit uns in Verbindung setzen, sobald sein Flugzeug gelandet sei.«
Ein Raunen ging durch den Raum. Wie es aussah, waren sie gerade dabei, auf das dünne Eis eines internationalen Konfliktes zu geraten. Und das, wo die Beziehungen zwischen Finnland und Russland ohnehin seit längerer Zeit schon etwas instabil waren.
»Es muss wohl nicht ausdrücklich erwähnt werden, dass niemand außerhalb dieses Raumes etwas von dem Vorfall erfahren darf«, fuhr Kekkonen fort. »Wir haben es allmählich mit ganz großen Zusammenhängen zu tun. In den Geschichtsbüchern kann man nachlesen, dass es auch früher schon wegen der Geheimdienstapparate zu ernsthaften Spannungen zwischen zwei Ländern gekommen ist. Wir müssen jetzt versuchen, einen kühlen Kopf zu bewahren, und beobachten, wie die Situation sich entwickelt. Der Innenminister müsste jede Minute anrufen …«
Prompt schnurrte Kommissar Kekkonens Telefon.
Niko blickte vom Rücksitz aus auf die vorüberrauschende buschige Landschaft rechts und links der Autobahn von Tampere nach Helsinki. Er war müde und aß den Rest des Schokoriegels, den ihm ein Polizist gegeben hatte. Der |179| Ermittler der Zentralkripo, der
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