Mission Spyflight
jeder Teilnehmer der Krisenbesprechung von SiPo, Zentralkripo und Außenministerium war mehr oder weniger gekommen |186| wie er war, allen war die Anspannung und die Müdigkeit anzusehen.
»Kein Mitarbeiter aus der Botschaft ist identifiziert worden«, sagte Hölttä, nachdem er sich gesetzt und eine Tasse Tee eingegossen hatte. »Aber es gibt deutliche Hinweise, dass Major Andrej Sabalin an der Aktion beteiligt gewesen ist.«
»Wer ist das?«, fragte ein Beamter des Außenministeriums.
»Er ist beim GRU für Sonderoperationen im südwestlichen Raum verantwortlich«, sagte Hölttä. »Spricht sieben Sprachen und kennt sich mit Literatur und Kunst besser aus als alle in diesem Raum Anwesenden zusammen. Kategorie: äußerst gefährlich.«
Er machte eine kurze Pause.
»Und das ist noch nicht alles. Der Vater des verschwundenen Aaro Nortamo ist bei der Verbrechensaufklärungseinheit der EU beschäftigt. Ich habe das gerade überprüft: Er heißt Timo Nortamo und ist derzeit in geheimer Mission außerhalb Europas unterwegs.«
Die Informationen des Ermittlers sorgten für eine kurze Stille im Raum. Dann schlug der Leiter der Abteilung für Ostbeziehungen im Außenministerium mit einem Stift gegen seine Kaffeetasse. »Er macht also quasi so etwas Ähnliches wie sein Sohn … Ich schlage vor, dass wir versuchen, den Vater noch heute ausfindig zu machen. Wir legen der Regierung eine Mitteilung zur sofortigen Behandlung vor, in der Folgendes steht: Der Geheimdienst hat den starken Verdacht, dass ein |187| finnischer Staatsbürger gegen seinen Willen auf das Gebiet der Russischen Föderation verbracht worden ist.«
»Ist das Kabinett bereits zusammengetreten?«, fragte Hölttä.
»Vier Mitglieder der Regierung sitzen gerade in der Dienstvilla des Ministerpräsidenten«, sagte der Abteilungsleiter. »Über Hermes können wir natürlich nichts sagen, denn den gibt es offiziell ja gar nicht. Aber im Zusammenhang mit dem gekidnappten Jungen können wir vielleicht auch Verhandlungen über die Maschine aufnehmen.«
»Falls Hermes nicht schon in Einzelteile zerlegt und als Prototyp in die Rüstungsproduktion transportiert worden ist«, ergänzte Hölttä. »Wir können auf Hermes lediglich verweisen, indem wir ihn als Planungsprojekt deklarieren.«
Aaro rieb sich mit den immer noch gefesselten Händen die Beine. Allmählich kehrte das Gefühl zurück und die stärker werdende Blutzirkulation sorgte für ein Stechen in den Füßen. Zum Glück hatte die Übelkeit inzwischen nachgelassen. Er kroch zur Bretterwand seines Gefängnisses und suchte nach der größten Ritze, durch die er auf das Hofgelände blicken konnte.
Die aufgehende Sonne vergoldete die braunen Wände der rostigen Wellblechhalle. Dahinter kam ein Mannschaftstransportwagen zum Vorschein, der vor dem Hallentor anhielt und den übel riechenden Motor abstellte. |188| Sechs Männer in Soldatenuniform sprangen von der Ladefläche und eilten in die Halle.
Dann rasselte es an der Tür der Bretterhütte und Aaro warf sich im Stroh auf den Bauch. Ein Soldat mit vernarbtem Gesicht trat ein. Er hatte einen Zinkeimer in der Hand und unter dem Arm einen halben Laib Brot. Er knallte den Eimer auf den Boden und warf das Brot vor Aaro aufs Stroh. Aaro fuhr zusammen, als der Mann einen großen Schritt auf ihn zu machte und dabei ein Messer aus dem Gürtel zog. Grob packte er Aaro am Arm und schnitt die Plastikfessel an den Händen durch, dann verschwand er, ohne ein Wort zu sagen.
Aaro strich vorsichtig über die wund geschürften Handgelenke, stellenweise sickerte Blut hervor. Die Narben würde er lange mit sich herumtragen, fragte sich nur, wie er sie zu Hause erklären sollte? Falls er überhaupt jemals nach Hause zurückkehren würde … Sobald er das dachte, spürte er einen Kloß im Hals. Trotzdem beschloss er, sich anzuschauen, was der Soldat gebracht hatte.
Er ging zum Eimer und stellte fest, dass er etwas gelbliches, nach Metall riechendes Wasser enthielt. War das die Ration für einen Tag oder für eine Woche? Wie lange würde man ihn in diesem Stall festhalten? Er riss ein Stück Brot ab und kaute es langsam.
Um sich nicht zu sehr den Kopf über sein Schicksal zu zerbrechen, beschloss er, all seine Energie auf die Untersuchung seines Kerkers zu richten. Er rappelte sich auf und sah sich systematisch die Bretter und die Ritzen dazwischen an.
|189| 35
Es war sieben Uhr, die Straße vor der alten Feuerwache im Zentrum von Helsinki lag bereits in hellem
Weitere Kostenlose Bücher