Mission Spyflight
die aufgewühlte Erde bloß noch weicher Matsch, für dessen Beseitigung nicht einmal mehr der Emailbecher nötig war.
Einen Teil der Erde hatte er im Schuppen unter dem Stroh verstecken müssen. Der Fluchtweg war kurz, schmal und niedrig, aber Aaro war ja auch nicht gerade durch übermäßige Körpergröße verunstaltet worden. Es fehlten nur noch Zentimeter und er würde sich unter der Wand durchquetschen können.
Ein Blitz machte die Wipfel der Fichten vor dem dunklen Himmel sichtbar und fast unmittelbar danach folgte ein heftiges Donnern. Die Gewitterwolke war direkt über dem Schuppen und bombardierte dessen Dach mit Regentropfen.
Aaro schnappte sich die Emailtasse und grub mit aller Kraft. Wasser rann in das Loch und färbte sich braun, die Erde konnte es nicht mehr aufsaugen. Unter das Geräusch der Tasse mischte sich plötzlich ein Klappern, dem kurz darauf das Rasseln eines Schlüssels folgte.
Aaro fuhr herum und starrte auf das rostige Türschloss, das aussah, als wäre es mindestens ein halbes Jahrhundert alt. Er hätte schwören können, dass sich der Riegel am Rand des Schlosses bewegte. Oder war das doch nur eine Täuschung seiner geplagten Fantasie?
Er konnte kein Risiko eingehen. Hastig warf er einen Blick auf den Fluchttunnel, in dem das Wasser stand, dann warf er die Tasse hinein, raffte schnell etwas Stroh zusammen und breitete es über die Öffnung.
Die Tür ging auf. Aaro lehnte sich über dem abgedeckten |216| Loch gegen die Wand, wobei er alle Muskeln anspannen musste, um nicht in die Grube zu fallen.
Ein Mann mit einem Schlüsselbund in der Hand blieb im Türrahmen stehen. Aaro bemühte sich, den Schreck aus seinem Gesicht zu wischen, auch wenn ihm klar war, dass sich unter diesen Umständen niemand über seine Angst wundern würde. Die Schultern des Mannes waren durch den Regen nass und seine Augen funkelten Aaro wütend an.
Ohne etwas zu sagen, warf er ihm eine Halbliterflasche Wasser vor die Füße, dann trat er wieder in den Sturzregen hinaus und schloss die Tür hinter sich. Als der Riegel einschnappte, rutschte Aaro mit zitternden Muskeln von seinem Platz über der Grube, schnappte sich die Flasche und ließ das Wasser in seine durstige Kehle laufen. Gleich darauf beseitigte er das Stroh von der Grube, angelte im Schlammwasser nach der Tasse und machte mit seiner Arbeit weiter.
Der Fluchtweg wurde breiter, die Erde flog ins Innere des Schuppens und nach draußen. Dann glaubte Aaro endlich, durch den Tunnel zu passen, in dem bedrohlich hoch das Wasser stand. Er legte den Becher zur Seite und schob sich vorsichtig unter der Bretterwand hindurch. Er hielt den Atem an, damit er kein Schlammwasser in die Lunge bekam. Mit den Händen ergriff er den unteren Bretterrand, stieß sich ab und schob sich durch den Tunnel nach oben.
Das vom Schlamm durchsetzte Wasser drang ihm in Ohren und Nase und plötzlich begriff er, dass er feststeckte. |217| Das Ausgangsloch war zu eng und nun kam er nicht vor und nicht zurück. Die aufkommende Panik verlieh ihm aber zusätzliche Kraft und er drückte sich mit Gewalt vorwärts.
Die rauen Bretter schrammten über Aaros Rücken, aber er scherte sich nicht um die Schmerzen, sondern kämpfte sich Zentimeter für Zentimeter der Freiheit entgegen. Schließlich trat er mit den Füßen gegen den Grubenrand auf der Innenseite des Schuppens und merkte gleich darauf, wie er das engste Stück des Tunnels durchstieß. Der wütend vom Himmel strömende, aber angenehm frische Regen spülte Aaro den Schlamm aus den Kleidern. Während es blitzte, blickte er sich kurz um und stellte fest, dass außer ihm niemand auf dem Hofgelände unterwegs war. Bei dem Wetter ging zum Glück niemand freiwillig ins Freie.
Erleichtert rannte Aaro von einem Busch zum anderen, bis er den Rand des düsteren Waldes erreichte. Er schlug sich durch das dichte Unterholz und hatte das Gefühl, mit jedem Schritt der Rettung näher zu kommen. Er blickte über die Schulter zurück und sah, dass der Hof noch immer leer war. Noch wenige Meter und dann – ein Zaun.
Aaro blieb wie festgenagelt vor dem Maschendrahtzaun stehen. Er war mindestens zwei Meter hoch. Und oben schlängelte sich eine offene Stromleitung.
Die Freiheit war in greifbarer Nähe, aber wenn er über den Zaun kletterte, war ihm ein tödlicher Stromschlag sicher. Aaros Atmen ging in ein Wimmern über, das ihn |218| begleitete, während er am Zaun hin und her rannte. Als sich die schlimmste Panik gelegt hatte, zwang er sich,
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