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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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eine Schlange in der Kinderwiege, und im nächsten Moment brüllte er herum, als hätte er sich einen Hammer auf den Daumen geknallt. Ehe ich mir das Lächeln vom Gesicht wischen konnte, erledigte er das für mich, trat den Stuhl unter mir weg und packte mich dann am Revers, um meinen Kopf hochzuziehen, nur um ihn gleich darauf wieder auf den Boden zu knallen.
    Die anderen beiden packten je einen seiner Arme und versuchten so, ihn von mir wegzuzerren, aber seine Beine hatten immer noch genug Bewegungsfreiheit, um in mein Gesicht zu treten, als wollte er ein Feuer löschen. Es tat nicht besonders weh. Seine Rechte hatte die Größe eines Medizinballs, aber nachdem sie einmal auf meinem Kinn gelandet war, spürte ich kaum noch etwas. Mein Körper vibrierte wie ein Zitteraal, als ich dalag und darauf wartete, dass er aufhörte, damit ich ihm zeigen konnte, wer bei diesem Verhör in Wahrheit das Sagen hatte. Als sie ihn endlich wegschleiften, lag mir schon fast der nächste Witz auf der Zunge. Ich hätte ihn vielleicht auch vom Stapel gelassen, wäre da nicht das Blut gewesen, das mir aus der Nase strömte.
    Als ich absolut sicher war, dass keiner mehr vorhatte, mich zu vermöbeln, stand ich vom Boden auf und sagte mir, dass ich alles daransetzen wollte, den nächsten Schlag auch wirklich verdient zu haben. Das wäre mir der Spaß wert.
    «Polizist zu sein ist so ähnlich, wie wenn man die Zeitung durchblättert auf der Suche nach einem interessanten Artikel», sagte ich. «Wenn man ihn endlich gefunden hat, hat man sich schon die Finger schmutzig gemacht. Vor dem Krieg, dem letzten Krieg, war ich Polizist in Deutschland. Sogar ein ehrlicher Polizist, was euch Affen vermutlich nicht viel sagt. Zivilbulle. Kripo. Als wir in Polen und dann Russland einmarschierten, steckten sie uns in graue Uniformen. Nicht grün, nicht schwarz, nicht braun, grau. Feldgrau nannten sie das. Wenn man Grau trägt, kann man sich den ganzen Tag im Dreck wälzen und trotzdem noch adrett genug aussehen, um einem General zu salutieren. Darum das Grau. Ein anderer Grund, warum wir Grau trugen, war vielleicht der, dass wir darin tun konnten, was wir taten, und immer noch glauben, wir hätten moralische Richtlinien – sodass wir uns morgens noch im Spiegel ansehen konnten. Das war die Theorie. Ich weiß, schön blöd, nicht? Aber kein Nazi war je so blöd, dass er uns eine weiße Uniform verpasst hätte. Wissen Sie, warum? Weil man eine weiße Uniform schlecht sauber halten kann, hab ich nicht recht? Ich meine, ich bewundere Ihren Mut, Weiß zu tragen. Denn seien wir ehrlich, Gentlemen, auf Weiß sieht man alles. Besonders Blut. Und so, wie Sie sich hier aufführen, ist das ein großer Nachteil.»
    Instinktiv schaute jeder an seiner makellos weißen Uniform herab, als wollte er nachsehen, ob sein Hosenschlitz zu war. Und im selben Moment fing ich eine Handvoll Blut aus der Nase auf und ließ es auf sie hinabregnen, wie Jackson Pollock auf eine weiße Leinwand. Man könnte sagen, dass ich meine Gefühle illustrieren, ihnen Ausdruck verleihen wollte und dass die primitive Technik, mein eigenes Blut durch die Luft zu schleudern, meine Methode war, ein Statement abzugeben. Jedenfalls schienen sie ganz genau zu verstehen, was ich sagen wollte. Und nachdem sie mich ordentlich zusammengeschlagen und mich in eine Zelle geworfen hatten, empfand ich eine gewisse Genugtuung darüber, wie modern ich doch war. Ich wusste nicht, ob ihre blutbespritzten weißen Uniformen Kunst waren oder nicht. Aber ich wusste, dass sie mir gefielen.

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Kapitel 3 KUBA UND NEW YORK 1954
    Die große Holzhütte, die in Guantánamo als Ausnüchterungszelle diente, stand am Strand, aber jedem, der sich nicht alle Sinne weggesoffen hatte, kam es vor, als befände sie sich irgendwo zwischen dem zweiten und dritten Höllenkreis. Heiß genug war sie auf jeden Fall.
    Ich war nicht zum ersten Mal in Haft. Ich war in sowjetischer Kriegsgefangenschaft gewesen, kein schönes Erlebnis. Aber Guantánamo konnte da gut mithalten. Drei Dinge machten den Aufenthalt in der Ausnüchterungszelle schier unerträglich: die Moskitos, die Betrunkenen und die Tatsache, dass ich inzwischen zehn Jahre älter war. Zehn Jahre älter zu sein ist schon hart genug, die Moskitos waren äußerst unangenehm – die Navy-Basis war im Grunde ein einziger Sumpf –, am schlimmsten aber waren die Betrunkenen. Solange es einem gelingt, nach einer gewissen Routine zu leben, ist beinahe jede Haft

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