Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
wollen.»
    «Sehr undankbar», sagte Frei. «Nach allem, was wir für sie getan haben.»
    «Gehlens neuer Nachrichtendienst – die Organisation Gehlen, kurz Org – besteht zum größten Teil aus Ehemaligen der SS , Gestapo und Abwehr. Also aus ganz schön miesen Typen. Schlimmer als Sie. Und sie ist vermutlich durchsetzt mit russischen Spionen.»
    «Das hätte ich euch schon vor sieben Jahren in Wien sagen können», sagte ich. «Ich glaube, das hab ich sogar getan.»
    «Allem Anschein nach müssen wir also ganz von vorn anfangen. Und das bedeutet, dass wir bei der Rekrutierung von Leuten vorsichtiger sein müssen. Deshalb waren wir am Anfang auch so grob zu Ihnen. Wir mussten nun mal auf Nummer sicher gehen, mit wem wir es zu tun haben. Diesmal wollen wir nämlich auf gar keinen Fall eingefleischte Nazis für uns arbeiten lassen.»
    «Sie können sich ja vorstellen, wie uns zumute war, als wir rausfanden, dass die Org mithilft, Ägypter und Syrer für einen Krieg gegen Israel auszubilden. Gegen die Juden, Gunther. Geschichte wiederholt sich also scheinbar doch. Ich würde meinen, dass ein Mann wie Sie, jemand, der selbst nie Antisemit war, gern etwas dagegen unternehmen würde. Israel ist unser Freund.»
    «Sie müssen sich eine Frage stellen, Bernie. Wollen Sie wirklich hierbleiben und die beiden Witzbolde vom OCCWC , Silverman und Earp, über Ihr Schicksal entscheiden lassen?»
    «Ich dachte, Sie hätten gesagt, die haben mich für harmlos erklärt.»
    «Oh, das haben sie. Seit die Franzosen einen Antrag gestellt haben, Sie nach Paris auszuliefern. Und Sie wissen ja, wie die Franzosen sind.»
    «Die Franzosen haben nichts gegen mich in der Hand.»
    «Das sehen die anders», sagte Scheuer.
    «Eins muss man den Franzosen lassen», sagte Frei. «Sie sind atemberaubend gute Heuchler. Frankreich war während des Krieges ein faschistisches Land. Noch mehr als Italien oder Spanien. Aber bis heute stellen sie sich gern als Opfer dar. Um andere für ihre Verbrechen und Vergehen verantwortlich zu machen. Andere wie Sie vielleicht. Derzeit läuft in Paris ein großer Strafprozess. Ihr alter Freund Helmut Knochen. Und Carl Oberg. Eine Cause célèbre, wie man so sagt. Ernsthaft. Die Zeitungen sind voll davon, Tag für Tag.»
    «Ich wüsste nicht, was das mit mir zu tun hat», sagte ich. «Knochen und Oberg waren dicke Fische. Ich war bloß ein ganz kleiner. Ich bin Oberg nicht mal begegnet. Also, was soll das Ganze?»
    «Die Briten haben Knochen 1947 den Prozess gemacht. In Wuppertal. Er wurde wegen des Mordes an britischen Piloten zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde aber nicht vollstreckt, und jetzt wollen die Franzosen haben, was ihnen zusteht. Sie suchen nach Sündenböcken, Gunther. Nach jemandem, auf den sie die Schuld abschieben können. Das gilt übrigens auch für Knochen. So kam Ihr Name ins Spiel. Gegenüber der Sûreté hat er ausgesagt, Sie seien derjenige gewesen, der die Gefangenen aus Gurs auf der Fahrt nach Lourdes ermordet hat, 1940.»
    «Ich? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.»
    «Nun ja», sagte Frei. «Ich glaube Ihnen ja auch. Aber das wird die Franzosen nicht kümmern. Sie haben einen offiziellen Antrag gestellt, Sie nach Paris auszuliefern. Vielleicht würden Sie gern mal einen Blick auf Knochens Aussage werfen?»
    Er griff in seine Jackentasche und zog mehrere gefaltete Seiten heraus, die er mir reichte. Dann standen er und Scheuer auf und gingen zur Zellentür.
    «Lesen Sie sich alles in Ruhe durch und entscheiden Sie dann, ob Uncle Sam wirklich so eine schlechte Alternative ist.»
    HELMUT KNOCHEN , VERHÖRPROTOKOLL , MÄRZ 1954
    «Mein Name ist Helmut Knochen. Ich war während der Okkupation Frankreichs durch die Nazis von 1940 bis 1944 Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Paris. Mein Zuständigkeitsbereich erstreckte sich von Nordfrankreich bis Belgien. Bis zur Ernennung von Carl Oberg zum SS - und Polizeiführer oblag mir die volle Verantwortung für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in Frankreich. Als Polizist war ich darum bemüht, dass das Zusammenleben von Franzosen und Deutschen ohne größere Spannungen verlief und eine ordnungsgemäße Rechtsprechung während der Okkupation durchgeführt werden konnte. Das war nicht immer einfach. Häufig wurde ich nicht in politische Entscheidungen auf höherer Ebene eingeweiht. Die größte Tragödie meines Lebens aber besteht darin, dass ich in Frankreich indirekt und ohne mein Wissen in die Judenvernichtung verwickelt wurde. Ich habe

Weitere Kostenlose Bücher