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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Hauptsturmführer Gunther mit ihnen vorhatte. Nachdem der Gefangenentransport von Gurs aufgebrochen war, hielt die SS bereits nach wenigen Kilometern an einer Waldlichtung. Dort ließ Gunther alle aussteigen. Die Gefangenen mussten sich in einer Reihe aufstellen, bekamen eine letzte Zigarette angeboten und wurden dann erschossen. Gunther selbst verpasste einigen Männern, die noch atmeten, den Gnadenschuss. Danach ließen sie die Leichen einfach liegen und fuhren weiter.
    Offen gestanden, als Hauptsturmführer Kestner mir erzählte, was da unten vorgefallen war, spielte ich ernsthaft mit dem Gedanken, gegen Hauptsturmführer Gunther offiziell Beschwerde einzureichen, doch man riet mir davon ab: Gunther war einer von Heydrichs Leuten und dadurch praktisch unantastbar, wissen Sie. Selbst als er in einem Pariser Bordell einen Offizierskameraden ermordet hatte, was ihn eigentlich vor das Kriegsgericht hätte bringen müssen, gelang es ihm, einer Anklage zu entgehen. Er wurde lediglich nach Berlin zurückberufen und von dort unverzüglich in die Ukraine geschickt, höchstwahrscheinlich, um die Art von Drecksarbeit zu erledigen, mit der die SS dort üblicherweise betraut war, wie wir inzwischen alle wissen. Moral und Anstand sind nicht jedem deutschen Offizier gegeben. Als ich später Heydrich traf und meine Bedenken gegen Gunther zum Ausdruck brachte, erntete ich eine typische Reaktion. Er sagte, er sei genau wie Schopenhauer der Ansicht, dass alle Ehre zuletzt auf Nützlichkeitsrücksichten beruht. Heydrich war in hohem Maße von Schopenhauer beeinflusst, und damit meine ich nicht bloß dessen Antisemitismus. Wie dem auch sei, ich widersprach ihm nicht. Das wäre nicht klug gewesen. Ich für meinen Teil halte es eher mit Kant und bin der Überzeugung, dass Ehre und Moral ihren eigenen Imperativ beinhalten. Und das ist übrigens auch der Grund, warum ich Graf von Stauffenbergs Plan unterstützte, Hitler zu töten. Und warum ich im Juli 1944 von den Nazis verhaftet wurde.»
    HELMUT KNOCHEN , VERHÖRPROTOKOLL , MAI 1954
    «Mein Name ist Helmut Knochen, und ich wurde gebeten, eine Beschreibung von SS -Hauptsturmführer Bernhard Gunther zu Protokoll zu geben. Ich lernte Gunther 1940 kennen. Er ist, glaube ich, älter als ich. Damals war er etwa vierzig Jahre alt. Er stammte aus Berlin. Ich selbst bin aus Magdeburg und hatte schon immer eine Schwäche für den Berliner Dialekt. Bei ihm war es jedoch weniger der Dialekt, der ihn als Berliner kennzeichnete, sondern vielmehr seine ganze Art: dreist und rücksichtslos, zynisch und unfreundlich. Kein Wunder, dass Hitler nicht viel für Berlin übrighatte. Jedenfalls, dieser Gunther war in doppelter Hinsicht typisch, da er obendrein Polizist war. Bei der Kripo. Ich war immer der Ansicht, dass der ungläubige Thomas aus der Bibel Berliner gewesen sein muss. Dieser Bursche hätte nur dann geglaubt, dass Jesus von den Toten auferstanden ist, wenn er durch die Löcher in dessen Händen und Füßen hätte schauen können und ihm von der anderen Seite aus ein Richter und ein Physiker zugewinkt hätten.
    Gunther sah ausgesprochen deutsch aus. Blondes Haar, blaue Augen, etwa einen Meter neunzig groß, mit kräftigen Armen und Schultern, sogar ein bisschen füllig. Auf seinem Gesicht lag stets ein streitlustiger Ausdruck. Ja, er war durchaus die Sorte Mann, die ich überhaupt nicht leiden konnte. Ein richtiger Nazi eben.»
    Dem Zeugen Knochen wurde anschließend das Foto eines Mannes gezeigt, den er eindeutig als den gesuchten Kriegsverbrecher Bernhard Gunther identifizierte.

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Kapitel 27 FRANKREICH 1954
    Durch das dreckige Fenster der Arrestzelle im Pariser Gefängnis Cherche-Midi konnte ich die Fassade des Hotel Lutetia sehen, wenn ich mich etwas krümmte. Ich drückte mich eine ganze Weile in die mit Spinnweben übersäte Ecke und beobachtete das Hotel, als rechnete ich damit, mich selbst aus der Tür kommen zu sehen, mit der armen kleinen Renata Matter am Arm. Ich wusste nicht genau, wer mir mehr leidtat – sie oder ich, aber am Ende hatte sie knapp die Nase vorn. Sie war schließlich tot. Dabei wäre sie noch am Leben, hätte es mich nicht gegeben. Ich quälte mich mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen. Wenn ich ihr doch nur nicht die Stelle im Adlon verschafft hätte, sagte ich mir, dann wäre sie nicht umgekommen. Wenn ich sie doch nur hier in Paris gelassen hätte, dann hätte die kleine, aber dennoch realistische Möglichkeit bestanden, dass sie in diesem

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