Mission Walhalla
Anfänglich.»
«Deutsche und Franzosen sollten jetzt Freunde werden.»
«Ja, das stimmt. Der Schuman-Plan. Genau.»
«Aus diesem Grund, ich meine, im Interesse der deutsch-französischen Beziehungen glaube ich, dass die Berufung Erfolg haben wird.»
«Das höre ich gern», sagte ich, obwohl mir Knochens Schicksal schnurzegal war. Trotzdem war ich über diese Entwicklung des Gesprächs überrascht, und auf der Fahrt zurück zum «Schwimmbad» bekam meine Stimmung Auftrieb. Vielleicht sah es ja doch nicht so schlecht aus für mich. Trotz des Prozesses gegen Oberg und Knochen und trotz des Urteils bestand vielleicht berechtigter Grund zu der Annahme, dass der SDECE mehr an einer Zusammenarbeit interessiert war und weniger daran, Druck auszuüben, was mir sehr gelegen kam.
Vom Cherche-Midi fuhren wir in den Osten von Paris. Die Caserne des Tourelles, die Spionagezentrale, die in einer alten Kaserne untergebracht war, bestand aus einer Reihe von altertümlich aussehenden Gebäuden am Boulevard Mortier im 20. Arrondissement. Das Einzige, was bei dem aus roten Ziegeln und grob behauenem Sandstein errichteten Gebäude an ein Schwimmbad erinnerte, waren die hallenden Korridore und ein Hof von olympischer Größe, der bei Regen einem gigantischen Becken mit schwarzem Wasser ähnelte.
Meine Vernehmer waren muskulös, schlugen aber leise Töne an. Sie trugen Zivil und nannten ihre Namen nicht. Sie erhoben auch keine Anschuldigungen gegen mich. Zu meiner Erleichterung waren sie nicht sonderlich an den Vorfällen vom Sommer 1940 in der Nähe von Lourdes interessiert. Sie waren zu zweit. Jeder der beiden hatte ein konzentriertes, vogelähnliches Gesicht, einen Bartschatten, der sich kurz nach dem Mittagessen zeigte, einen verschwitzten Hemdskragen, nikotinverfärbte Finger und Espressoatem. Sie waren Polizisten oder irgendwas in der Art. Bei einem von ihnen, dem stärkeren Raucher, bildete das weiße Haar einen auffälligen Kontrast zu den tiefschwarzen Brauen, die aussahen wie zwei verirrte Raupen. Der andere war größer, hatte den Schmollmund einer Hure, Ohren wie Henkel an einem Pokal und die verschleierten, schweren Augen eines Menschen, der an Schlaflosigkeit leidet. Der Schlaflose konnte ziemlich gut Deutsch, doch wir sprachen überwiegend Englisch, und wenn mir da die Worte ausgingen, versuchte ich es mit Französisch, wodurch es mir manchmal gelang, meine Aussagen genauer auf den Punkt zu bringen. Doch es war eher eine Unterhaltung als ein Verhör, und wären da nicht die Pistolenholster an ihren breiten Schultern gewesen, hätte man uns für drei Bekannte in einem Bistro in Montmartre halten können.
«Hatten Sie viel mit der Carlingue zu tun?»
«Carlingue? Was ist das?»
«Die französische Gestapo. Die Zentrale war in der Rue Lauriston. Nummer dreiundneunzig. Waren Sie je dort?»
«Das muss nach meiner Zeit gewesen sein.»
«Das waren Kriminelle, die von Knochen rekrutiert wurden», sagte die Augenbraue. «Überwiegend Armenier, Moslems, Nordafrikaner.»
Ich lächelte. Genau das oder so was in der Art sagten die Franzosen immer, wenn sie nicht zugeben wollten, dass es unter den Franzosen haufenweise Nazis gegeben hatte. Und angesichts ihrer Nachkriegsbilanz in Indochina und Algerien war es verlockend, die Franzosen für noch größere Rassisten als die Deutschen zu halten. Schließlich hatte niemand sie gezwungen, französische Juden – darunter auch Dreyfus’ Enkeltochter – in die Vernichtungslager von Auschwitz und Treblinka zu deportieren. Natürlich wollte ich niemandes Gefühle verletzen, indem ich das unverblümt aussprach, aber da das Thema nun mal auf dem Tapet war, zuckte ich mit den Schultern und sagte: «Ich kannte ein paar französische Polizisten. Die, von denen ich Ihnen bereits erzählt habe. Aber niemanden von der französischen Gestapo. Die französische SS , das ist wieder etwas anderes. Aber unter denen waren keine Moslems. Soweit ich mich erinnere, waren das fast ausschließlich Katholiken.»
«Kannten Sie viele von der SS -Charlemagne?»
«Ein paar.»
«Reden wir über die, die Sie kannten.»
«Von mir aus. Das waren überwiegend Franzosen, die 1945 bei der Schlacht um Berlin in russische Gefangenschaft gerieten. Das waren Männer in Kriegsgefangenenlagern, wie ich. Die Russen behandelten sie genauso wie uns Deutsche. Genauso schlecht. In ihren Augen waren wir alle Faschisten. Aber eigentlich habe ich nur einen einzigen Franzosen in den Lagern so gut kennengelernt, dass ich
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