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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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638er jetzt einer SS -Division in Galizien zugeordnet war. Und dass es dort ganz schön schlimm zuging. Aber de Boudel sah ich erst 1945 nach Kriegsende wieder, als wir beide in einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager namens Krasno-Armeisk saßen. Unter den Gefangenen waren etliche französische und belgische SS -Leute, und Edgard erzählte mir, was er so erlebt hatte. Wie das 638er schließlich einer französischen SS -Brigade zugeteilt worden war und so weiter. Anscheinend hat es im Juli 1943 eine Rekrutierungskampagne gegeben, hier in Paris. Die Franzosen, die sich anwerben ließen, mussten den üblichen Himmler-Blödsinn beweisen, also dass in ihren Adern kein jüdisches Blut floss, erst dann wurden sie aufgenommen. Ein paar Wochen Grundausbildung im Elsass. Und dann ging es ab in die Nähe von Prag. Im Spätsommer 1944 war der Krieg in Frankreich so gut wie vorbei, aber eine ganze französische SS -Brigade stand in Bereitschaft, um gegen den Iwan zu kämpfen. Rund zehntausend Mann, meinte er. Und sie wurden SS -Charlemagne genannt.
    Die Brigade wurde mit dem Zug an die Ostfront geschickt, nach Pommern, nicht sehr weit von unserem Aufenthaltsort entfernt. Edgard sagte, als der Zug in den Endbahnhof in Hammerstein einfuhr, wurde die Brigade von der Ersten Weißrussischen Front angegriffen und in drei Teile zerschlagen. Ein Teil schlug sich unter dem Kommando von SS -Brigadeführer Krukenberg bis zur Ostseeküste durch, in die Nähe von Danzig. Viele von ihnen schafften es, nach Dänemark evakuiert zu werden, aber andere, darunter auch Edgard, kämpften weiter, bis sie in Gefangenschaft gerieten. Der Rest wurde aufgerieben oder bis nach Berlin zurückgedrängt.
    In Krasno-Armeisk waren auch noch andere Franzosen, die in Berlin in Gefangenschaft geraten waren. Aber an Namen kann ich mich nicht erinnern. Allen Berichten zufolge hat die SS -Charlemagne den Hitlerbunker in Berlin bis zuletzt verteidigt. Ich glaube, die waren die Einzigen von der SS , die froh waren, dass sie den Sowjets in die Hände gefallen waren und nicht den Amerikanern; die Amis hätten sie nämlich an die Freien Französischen Streitkräfte übergeben, die sie auf der Stelle erschossen hätten.»
    «Erzählen Sie uns mehr über Edgard de Boudel.»
    «Aus der Zeit im Lager?»
    «Ja.»
    «Er war ein dekorierter Obersturmbannführer. Umgänglich. Sogar charmant. Gut aussehend. Hatte den Krieg unbeschadet überstanden. Er gehörte zu der Sorte Typen, die aussahen, als würden sie so ziemlich alles überstehen. Er sprach gut Russisch. Es fiel Edgard leicht, Sprachen zu lernen. Sein Deutsch war wirklich perfekt. Ich hätte nie geglaubt, dass er Franzose war, wenn ich das nicht gewusst hätte. Ich glaube, er konnte auch Vietnamesisch. Gerade wegen seines Sprachtalents war er für den NKWD so interessant. Am Anfang hatte er ziemlich unter ihnen zu leiden. Sie ließen nicht locker, und wenn sie einen erst mal am Haken hatten, war es ausgesprochen schwierig, sich ihnen wieder zu entziehen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.»
    «Wofür genau wollten sie ihn haben? Wissen Sie das?»
    «Na, auf jeden Fall nicht fürs K5. So viel ist sicher.»
    «Das ist der Vorläufer der Stasi.»
    «Ja. Ich weiß nicht, was sie mit ihm vorhatten. Aber als Nächstes hörte ich, dass er auf die Antifa-Schule in Krasnogorsk geschickt worden war, zur Umerziehung. Wie Sie wissen, wäre ich selbst fast da gelandet. Die hätten mich nämlich garantiert gekriegt, wenn ich den NKWD -Offizier, der mich verhörte, nicht aus der Zeit vor dem Krieg gekannt hätte. Ein Mann namens Mielke. Erich Mielke. Er war der deutsche Politkommissar, der uns
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für das K5 rekrutieren sollte.»
    Die Franzosen stellten mir noch ein paar Fragen mehr zu Edgard de Boudel und brachten mich dann zurück ins La Santé.
Santé
bedeutet Gesundheit, aber der Name stand in keinem Verhältnis zu dem, was sich im Gefängnis abspielte. Es hieß nur deshalb La Santé, weil ganz in der Nähe eine Nervenheilanstalt lag, das Hôpital Sainte-Anne in der Rue de la Santé, unweit des Boulevard Raspail.
    Im La Santé blieb ich so weit wie möglich für mich. Ich sah Helmut Knochen nicht, was mir nur lieb war. Ich las meine Zeitung, in der berichtet wurde, dass es für die Franzosen in Nordafrika genauso schlecht lief wie zuvor in Vietnam. Trotz meiner neuen Freunde beim SDECE fand ich diese Nachricht nicht betrüblich. Die Zeit in den Schützengräben hatte ich nicht vergessen. Zumal es im La Santé von Ratten nur

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