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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Bisher war es noch nie so, dass einer meiner Wünsche sich am Ende als das entpuppt hat, was ich mir vorgestellt hatte. Aber Elisabeth ist anders, das spüre ich. Nein, ich weiß es.»
    Vigée nahm einen Krümel Tabak von seiner Zunge und betrachtete ihn einen Moment lang kritisch, als könnte darin die Lösung für all unsere Probleme liegen.
    «Ich habe mir was überlegt, Emile. Der Zug mit den Kriegsgefangenen kommt doch erst nächsten Dienstagabend an. Ich könnte den Sonntag mit Elisabeth verbringen, in Berlin … Nur ein paar Stunden.»
    Vigée stellte seine Kaffeetasse hin und schüttelte den Kopf.
    «Nein, bitte hören Sie zu», sagte ich. «Wenn ich ein paar Stunden mit ihr hätte, könnte ich sie vielleicht überreden, noch zu warten. Ich könnte ihr ein Geschenk mitbringen. Einen Ring vielleicht. Nichts Teures. Bloß als Beweis für die Aufrichtigkeit meiner Gefühle.»
    Er schüttelte noch immer den Kopf.
    «Ach, kommen Sie, Emile, Sie wissen doch, wie die Frauen sind. In der Speckstraße gibt es einen Laden mit preiswertem Schmuck. Wenn Sie mir ein paar Mark vorstrecken könnten – um einen Ring zu kaufen –, dann könnte ich sie garantiert dazu bringen, auf mich zu warten. Wenn ich nicht sicher wüsste, dass es meine letzte Chance wäre, würde ich Sie nicht darum bitten. Wir könnten Montagabend wieder hier sein. Volle vierundzwanzig Stunden bevor der Zug in Friedland sein soll.»
    «Und was ist, wenn Sie sich entschließen, nicht zurückzukommen?», sagte er. «Es ist ganz schön schwierig, jemanden über die grüne Grenze aus Westberlin rauszubringen. Was soll Sie davon abhalten, einfach dortzubleiben? Sie wohnt ja nicht mal im französischen Sektor.»
    «Versprechen Sie mir wenigstens, drüber nachzudenken», sagte ich. «Ich meine, es wäre doch jammerschade, wenn meine Augen am Dienstagabend vor Enttäuschung ganz trüb werden.»
    «Soll heißen?»
    «Ich möchte Ihnen helfen, Edgard de Boudel zu finden, Emile. Das möchte ich wirklich. Aber ein wenig Entgegenkommen Ihrerseits könnte nicht schaden, vor allem in einer Situation wie dieser. Wenn ich für Sie arbeiten soll, dann ist es bestimmt besser, wenn nichts zwischen uns steht.»
    Er setzte ein fieses kleines Lächeln auf und warf den Stummel seiner Zigarette über die Mauer in den Kanal. Dann packte er mich plötzlich am Revers meiner Jacke und verpasste mir zwei schallende Ohrfeigen.
    «Vielleicht haben Sie das La Santé vergessen», sagte er. «Ihre
Boche
-Freunde, Oberg und Knochen, und dass sie beide zum Tode verurteilt wurden.» Er schlug mich noch einmal.
    Ich nahm es so gelassen hin, wie ich konnte, und sagte: «Das mag ja bei deiner Frau und deiner Schwester funktionieren, Franzmann, aber nicht bei mir, klar?» Ich fing die Hand, mit der er schon wieder ausgeholt hatte, im letzten Moment ab und verdrehte sie ihm, so fest ich konnte. «Wenn mich jemand schlägt, dann höchstens eine Frau, der ich an die Wäsche gegangen bin. So, jetzt nimm deine dreckigen Flossen von diesem billigen französischen Anzug, bevor ich dir zeige, was eine Harke ist.»
    Ich blickte ihm in die Augen und sah, dass er sich ein wenig entspannte, woraufhin ich seine Hand losließ, um seine Finger von meiner Jacke zu lösen. Im selben Moment versetzte er mir mit der Rechten einen Kinnhaken, der meinen Kopf ins Schwanken brachte, wie einen Luftballon an einer Stange. Vielleicht hätte er mich noch einmal erwischt, wenn ich nicht geistesgegenwärtig meinen harten Schädel gegen seine lange Adlernase gerammt hätte.
    Der Franzose jaulte vor Schmerz auf, dann ließ er meine Jacke los, presste sich die Finger an die Nase und taumelte einige Schritte rückwärts, ehe er gegen die Gartenmauer stieß.
    «Menschenskind», sagte ich, «hören Sie auf, mir das Kinn zu polieren, und bleiben Sie locker, Emile. Schließlich verlange ich nicht die Rückgabe von Elsass-Lothringen, sondern bloß einen lausigen Sonntagnachmittag mit der Frau, die ich liebe. Einen kleinen Sonderurlaub, mehr nicht. Nichts, was mich davon abhält, Ihnen bei der Suche nach Ihrem Verräter zur Seite zu stehen. Ich helfe Ihnen, Sie helfen mir.»
    «Ich glaube, Sie haben mir die Nase gebrochen», keuchte er.
    «Nein, bestimmt nicht. Das würde viel stärker bluten. Lassen Sie sich das von jemandem gesagt sein, der schon so manche Nase gebrochen hat. Allerdings noch keinen Zinken im Eiffelturm-Format wie der in Ihrem Gesicht.» Ich schüttelte den Kopf. «He, tut mir leid, dass ich Sie geschlagen hab,

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