Mission Walhalla
Emile, aber in den letzten neun Monaten sind so allerhand Leute mit mir hart umgesprungen, und langsam reicht es mir, kapiert? Ich muss jeden Morgen in den Spiegel schauen, Monsieur. Mein Gesicht ist nicht das hübscheste, zugegeben, aber es ist das einzige, das ich habe. Und es soll noch ein Weilchen halten. Deshalb mag ich es nicht, wenn andere meinen, sie könnten es mir lädieren. In der Hinsicht bin ich eigen.»
Er wischte sich die Nase und nickte, aber der Vorfall hing schwer zwischen uns in der Luft, wie der Hopfengeruch in einer Brauerei. Und einen Moment lang standen wir beide dumm herum und fragten uns, wie es weitergehen sollte.
Es hätte schlimmer kommen können, sagte ich mir. Einen kurzen Moment lang hatte es mich sogar gejuckt, ihn über die Mauer in den Kanal zu schubsen.
Er steckte sich eine Zigarette an und rauchte sie, als glaubte er, das könnte seine Laune aufhellen und ihn von seiner Nase ablenken, die jetzt, wo er das Blut abgewischt hatte, schon besser aussah, als er vielleicht glauben wollte.
«Sie haben recht», sagte er. «Es besteht nicht der geringste Grund, warum die Sache nicht geregelt werden könnte. Schließlich geht es nur um einen Sonntagnachmittag, wie Sie sagen, richtig?»
Ich nickte. «Nur um einen Sonntagnachmittag.»
«Also schön. Wir kriegen das hin. Ja, um de Boudel zu schnappen, würde ich alles tun.»
Einschließlich mich reinzulegen, dachte ich. Sobald ich meinen Zweck erfüllt und de Boudel identifiziert hatte, konnten die Franzosen alles mit mir anstellen. Mich zurück ins La Santé schicken, den Amis ausliefern, sogar den Russen. Immerhin schmeichelte Frankreich sich gerade mit seiner Außenpolitik bei der Sowjetunion ein, und die Rückgabe eines entflohenen Gefangenen käme da gerade gelegen.
«Und einen Ring?», fragte ich, als wenn mir oder Elisabeth so ein Krimskrams irgendetwas bedeuten würde.
«Ja», sagte er. «Ich bin sicher, auch das lässt sich arrangieren.»
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Kapitel 32 DEUTSCHLAND 1954
Am Samstag fuhren Grottsch und Wenger mich erneut nach Berlin, und am Sonntag stand ich wieder vor Elisabeths Tür in der Motzstraße, nur diesmal in Begleitung meiner beiden Aufpasser, die sich nicht hatten abwimmeln lassen.
Ich ließ mir von ihr einen Kuss geben, keusch auf die Wange, und stellte die drei einander vor.
«Das ist Herr Grottsch. Und Herr Wenger. Sie sind für meine Sicherheit verantwortlich, solange ich in Berlin bin. Sie möchten sich kurz in deiner Wohnung umsehen, um sich zu überzeugen, dass hier alles in Ordnung ist.»
Elisabeth runzelte die Stirn. «Sind sie von der Polizei?»
«Ja. Sozusagen.»
«Hast du Ärger?»
«Es besteht kein Grund zur Besorgnis, das versichere ich dir», sagte ich ruhig. «Es ist wirklich nur eine reine Formsache. Aber vorher lassen sie uns nicht in Ruhe.»
Elisabeth zuckte die Achseln. «Wenn es wirklich nicht anders geht. Aber es ist sonst niemand da. Ich weiß nicht, was Sie zu finden glauben, meine Herren. Das hier ist schließlich nicht Hohenschönhausen.»
Grottsch stutzte und zog die Stirn in Falten. «Was wissen Sie über Hohenschönhausen?», fragte er misstrauisch.
«Ich merke, deine Freunde sind nicht aus Berlin, Bernie», sagte Elisabeth. «Guter Mann, jeder in Berlin weiß von Hohenschönhausen.»
«Jeder außer mir», sagte ich ehrlich.
«Na», sagte sie. «Erinnerst du dich an die Heike-Fabrik?»
«Die Fleischverarbeitungsfabrik. An der Ecke von Genslerstraße und Freienwalderstraße.»
Sie nickte. «Auf dem gesamten Gelände ist jetzt das Untersuchungsgefängnis der Stasi untergebracht.»
«Ich dachte, das wäre in Karlshorst», sagte ich.
«Da haben die Sowjets ein Gefängnis», sagte sie.
«Sie kennen sich ja gut aus, Fräulein», sagte Wenger.
«Ich bin Berlinerin. Die Kommunisten tun so, als gäbe es das Gefängnis nicht, und wir Übrigen tun so, als wüssten wir nichts davon. Das ist eine Regelung, mit der wir alle ganz gut zurechtkommen, denke ich. Eine sehr berlinerische Regelung. Mit dem Hauptquartier der Gestapo in der Prinz-Albrecht-Straße war es genau das Gleiche. Weißt du noch?»
Ich nickte. «Klar. Das war das Haus, das keiner sah.»
Elisabeth blickte Grottsch und Wenger finster an. «Was ist? Nun fangen Sie schon an mit Ihrer Durchsuchung.»
Die beiden Männer gingen rasch durch die Wohnung, ohne irgendetwas zu finden. Grottsch sagte: «Wir warten draußen vor der Tür.» Und weg waren sie.
Für den Fall, dass die beiden lauschten, winkte
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