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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Hinterhand haben.»
    «Und Sie? Werden Sie uns helfen?»
    Ich zog die Stirn kraus. «Ich kann euch zeigen, wo das Restaurant ist. Vielleicht sogar einen Tisch für euch reservieren.»
    «Wir werden mehr Hilfe brauchen. Schließlich haben Sie Erich Stellmacher persönlich kennengelernt. Er hat Sie geschlagen. Sie haben ihn festgenommen. Nein. Herr Gunther, Sie müssen schon mehr für uns tun, als uns einen Tisch in Stellmachers Stammlokal besorgen. Sie werden ihn für uns identifizieren.»
    Ich lächelte müde.
    «Finden Sie daran irgendwas komisch?»
    «Sie sind nicht der erste Geheimdienstchef, der so etwas von mir verlangt. Heydrich hatte die gleiche Idee.»
    «Ich hab viel über Heydrich nachgedacht», sagte der Chief. «Er soll angeblich der intelligenteste Nazi von allen gewesen sein. Sehen Sie das auch so?»
    «Er hatte auf jeden Fall ein instinktives Gefühl für Macht, was ihn zu einem höchst tüchtigen Nazi gemacht hat. Sie mögen Tatsachen? Dann hätte ich eine, die Ihnen gefallen könnte. Heydrichs Vater Bruno war Musiklehrer und davor Komponist. Neun Jahre vor der Geburt seines Sohnes schrieb Bruno Heydrich eine Oper namens
Amen
, mit einem Prolog, dem er den Titel
Reinhardts Verbrechen
gab. O ja, und ich hab noch eine Tatsache für Sie. Heydrich wurde ermordet.»
    «Was Sie nicht sagen.»
    «Ich war der ermittelnde Kommissar.»
    «Interessant.»
    «Mich interessiert im Augenblick mehr das Geld, das man mir abgenommen hat, als ich auf Kuba verhaftet wurde. Und mein beschlagnahmtes Boot. Das ist ein Teil des Preises, den ich für meine Hilfe verlange. Das war eigentlich schon als Preis für unser Geschäft in Landsberg ausgehandelt, als Gegenleistung dafür, dass ich die Franzosen an der Nase herumführe. Sie segnen also nur etwas ab, dem Ihre Leute schon zugestimmt haben. Ich möchte, dass das Boot verkauft und der Erlös wie vereinbart auf ein Schweizer Konto eingezahlt wird. Außerdem will ich einen amerikanischen Pass. Und dafür, dass ich Ihnen Erich Mielke liefere, verlange ich fünfundzwanzigtausend US -Dollar.»
    «Das ist viel Geld.»
    «Für den stellvertretenden Leiter der Stasi wäre das Doppelte noch ein Schnäppchen.»
    «Philip?»
    «Ja, Sir?»
    «Ein fairer Preis, meinen Sie nicht auch?»
    «Für Mielke? Ja, Sir, auf jeden Fall. Das hab ich schon immer gedacht, seit Anfang der gesamten Operation.»
    «Sie wissen doch Bescheid, dass Sie den Zirkusdirektor bei Herrn Gunthers Auftritt spielen sollen, nicht?»
    «Das wusste ich nicht, Sir.»
    «Dann wissen Sie’s jetzt, was, Philip?»
    Scheuer blickte beklommen, weil er so in Verlegenheit gebracht wurde. «Ja, Sir.»
    «Sie auch, Jim.»
    Frei zog die Augenbrauen hoch, nickte aber trotzdem.
    Ich goss mir noch ein Glas Schnaps ein.
    «Gute Idee», sagte der Chief. «Ich denke, wir könnten alle einen Drink gebrauchen. Finden Sie nicht auch, Phil?»
    «Ja, Sir. Ein Drink wäre nicht schlecht.»
    «Aber keinen Schnaps, was? Verzeihen Sie, Herr Gunther. Ich bewundere wirklich eine ganze Menge an Ihrem Land. Aber für Schnaps haben wir bei der CIA nicht viel übrig.»
    «Ich schätze, bei einem so kleinen Glas ist es ziemlich schwer, jemandem heimlich was in den Drink zu schütten.»
    «Täuschen Sie sich da mal nicht.» Der Chief schmunzelte. «Hmm. Ja, für einen Deutschen haben Sie einen ausgeprägten Sinn für Humor.»
    Philip Scheuer kam mit einer Flasche Bourbon und drei Gläsern.
    «Wollen Sie nicht auch ein Glas von dem hier probieren, Herr Gunther?», fragte der Chief. «Um auf Ihr Geschäft mit Ike anzustoßen.»
    «Von mir aus», sagte ich.
    «Sie sind ein guter Mann. Wir machen noch einen Amerikaner aus Ihnen.»
    Genau das war meine Befürchtung.

[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 37 BERLIN 1954
    Es liegt in der Natur des Menschen, Besitztümer anzuhäufen. In meinem Fall aber waren mir im Laufe des Lebens immer nur welche abhandengekommen oder weggenommen worden. Das Einzige, was ich noch von vor dem Krieg hatte, war eine zerbrochene Schachfigur aus Knochen – der Kopf eines schwarzen Springers im sogenannten Selenus-Typus. In den letzten Tagen der Weimarer Republik war dieser schwarze Springer ständig im Einsatz im Romanischen Café gewesen, wo ich das eine oder andere Mal gegen den berühmten Emanuel Lasker spielte. Er war Stammgast in dem Café, bis er nach Hitlers Machtergreifung gezwungen war, Deutschland zusammen mit seiner Frau für immer zu verlassen. Vor meinem geistigen Auge sah ich ihn noch da sitzen, über das Brett

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