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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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nicht besonders laut oder aufdringlich, sie war einfach nur überflüssig. Ich fragte den Diener danach. Er hieß George, und er sagte, es sei Ella Fitzgerald, als wäre das Erklärung genug.
    Die Einrichtung hatte wohl immer schon zu dem Haus gehört, weshalb ich sie ganz in Ordnung fand, obwohl der Wasserspender in der Bibliothek irgendwie fehl am Platz war, zumal die Luftblasen, die durch das Wasser hochstiegen, regelmäßige Gurgelgeräusche von sich gaben. Er klang wie mein eigenes unruhiges Gewissen.
    Das Restaurant am Steinplatz lag an der Uhlandstraße, nicht weit vom Tiergarten. Das Haus aus der Zeit um die Jahrhundertwende ließ mit seiner heruntergekommenen Fassade kein Restaurant vermuten, das in der Berlin-Broschüre der US Army empfohlen wurde, was bedeutete, dass es bei amerikanischen Offizieren und ihren deutschen Freundinnen beliebt war. Die umfangreiche Speisekarte bot eine Mischung aus amerikanischen und Berliner Spezialitäten an. Wir vier – ich und die drei Amis – setzten uns an einen Fenstertisch unweit der Bar. Die Kellnerin war Deutsche, sprach uns aber auf Englisch an, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, dass sich nur wenige Berliner die teuren Gerichte hätten leisten können. Wir bestellten Wein und Mittagessen. Das Restaurant war praktisch noch leer, Erich Stellmacher noch nicht da. Binnen kürzester Zeit füllte sich der Raum jedoch, bis nur noch ein Tisch frei war.
    «Wahrscheinlich kommt er nicht», sagte Frei. «Ausgerechnet heute nicht. Das erlebe ich ständig bei Überwachungen. Die Zielperson kommt nie gleich beim ersten Mal.»
    «Wäre schön, wenn du recht hättest», sagte Hamer. «Das Essen hier ist so verdammt gut, ich will nochmal wiederkommen. Noch oft.»
    Regen prasselte gegen die beschlagenen Fenster des Restaurants. Ein Weinkorken ploppte. Die Offiziere am Nebentisch lachten so laut wie Männer, die es gewohnt waren, draußen im Freien zu lachen, womöglich auf einem Pferderücken, aber nicht in kleinen Berliner Restaurants. Sie stießen sogar schwungvoller und lärmender als nötig mit ihren Gläsern an. Aus der Küche rief jemand, dass eine Bestellung fertig war. Ich sah auf Scheuers Uhr – meine eigene war noch immer in einer Papiertüte in Landsberg. Es war kurz vor halb zwei.
    «Ich seh mal in der Bar nach», sagte ich.
    «Gute Idee», sagte Scheuer.
    «Geben Sie mir ein bisschen Geld für Zigaretten», sagte ich zu ihm. «Nur zum Schein.»
    Ich ging in die Bar und bestellte beim Barmann eine Packung englische Zigaretten und bat ihn um Feuer. Während er Streichhölzer holen ging, schaute ich mich um. In einer gemütlichen kleinen Nische spielten ein paar Männer Domino. Neben ihnen auf dem Fußboden lag ein Hund, der in regelmäßigen Abständen mit dem Schwanz wedelte. Ein alter Mann saß in einer Ecke vor seinem Bier und las
Die Zeit
. Ich kaufte von dem Wechselgeld einen Kurzen, den ich rasch kippte, zündete mir eine Zigarette an und ging, begleitet vom heulenden Geräusch einer Kaffeemaschine, zurück ins Restaurant. Ich setzte mich, drückte die Zigarette aus, säbelte eine Ecke meines unangetasteten Schnitzels ab und sagte: «Er ist dadrin.»
    «Mein Gott», sagte Frei. «Nicht zu fassen.»
    «Sind Sie sicher?»
    «Ich vergesse nie das Gesicht eines Mannes, der mir eine reingehauen hat.»
    «Meinen Sie, er hat Sie auch gesehen?», fragte Scheuer.
    «Nein», sagte ich. «Er trägt eine Lesebrille. Er hat nämlich noch eine zweite Brille in der Brusttasche. Ich schätze, er ist auf einem Auge weitsichtig und auf dem anderen kurzsichtig.»
    Eine bayrisch anmutende Wanduhr schlug die halbe Stunde. Am Nebentisch schob einer der Amerikaner seinen Stuhl nach hinten. Auf dem Holzboden des Restaurants klang es wie ein Trommelwirbel.
    «Und wie geht’s jetzt weiter?», fragte Hamer.
    «Wie geplant», sagte Scheuer. «Gunther folgt ihm, und wir folgen Gunther. Er kennt sich in der Stadt besser aus als wir drei.»
    «Ich brauch noch mehr Geld», sagte ich. «Für die U-Bahn oder die Straßenbahn. Und für ein Taxi, um zurück zur Ihnestraße zu kommen, falls ich euch verliere.»
    «Sie werden uns nicht verlieren.» Hamer lächelte zuversichtlich.
    «Trotzdem», sagte Scheuer. «Er hat recht.» Er gab mir ein paar Scheine und etwas Kleingeld.
    Ich stand auf.
    «Wollen Sie sich in die Bar setzen?», fragte Frei.
    «Lieber nicht. Sonst erkennt er mich vielleicht doch noch. Ich warte draußen auf ihn.»
    «Im Regen?»
    «Das wird sich nicht vermeiden lassen.

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