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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Volksentscheids bekanntgegeben wurden und sich herausstellte, dass er gescheitert war. Es gab nicht genügend Stimmen für vorgezogene Neuwahlen. In ganz Berlin verschlechterte sich die Stimmung dramatisch, aber besonders auf dem Bülowplatz vor dem Karl-Liebknecht-Haus. Tausende von Kommunisten versammelten sich dort und machten ihrem Unmut Luft. Jedenfalls spitzte sich die Lage zu, als die Polizei anrückte und anfing, rote Köpfe aufzuschlagen wie Eier. Die Bullen von Berlin konnten schon immer gut Omeletts machen.
    Wahrscheinlich tat der Regen ein Übriges. Es war mehrere Wochen lang trocken und warm gewesen, doch an diesem Tag schüttete es wie aus Eimern, und Berliner Polizisten wurden ungern nass. Das hatte mit ihren Tschakos zu tun, die überwiegend aus Leder bestanden. Bei schlechtem Wetter ließ sich zwar eine Schutzhaube über die Kopfbedeckung ziehen, aber die vergaß man meistens, was bedeutete, dass der Tschako hinterher stundenlang geputzt und gewienert werden musste. Wenn es etwas gab, das einen Berliner Bullen so richtig auf die Palme brachte, dann war das ein nasser Tschako.
    Ich schätze, die Roten hatten die Nase gestrichen voll. Aber sie selbst waren auch nicht ohne. Sie schrien auch dann was von Polizeidiktatur, wenn die Polizei sich mustergültig verhielt. Die Schupos vor Ort waren auch früher schon bedroht worden, aber das hier hatte eine ganz andere Qualität. Auf einmal war die Rede davon, Polizisten zu töten. Gegen acht Uhr an jenem Abend fielen Schüsse, und es kam zu einem Gefecht zwischen Polizei und KPD , wie wir es seit dem Aufstand im Januar 1919 nicht mehr erlebt hatten.
    Gegen neun Uhr erreichten das Präsidium am Alex erste Meldungen, dass mehrere Beamte, darunter auch zwei Polizeihauptleute, angeschossen oder getötet worden waren. Bereits im Juni war ein Polizist ermordet worden. Ich hatte seinen Sarg mitgetragen. Als ich mit einer Handvoll anderer Kripobeamter am Bülowplatz eintraf, hatte sich die Menschenmenge größtenteils zerstreut, aber die Schießerei war noch immer im vollen Gange. Die Kommunisten hatten sich auf den Dächern der Gebäude verschanzt, und Polizisten mit Suchscheinwerfern erwiderten das Feuer, während andere zugleich die umliegenden Wohnhäuser nach Waffen und Verdächtigen durchkämmten. Mindestens einhundert Leute wurden während des Gefechts verhaftet. Stundenlang beschossen die Roten und wir uns gegenseitig, sodass wir keine Chance hatten, an die Verletzten ranzukommen. Einmal riss eine Kugel direkt über meinem Kopf ein Stück Mauerwerk heraus, und ich feuerte daraufhin das Magazin der Bergmann leer, mehr aus Wut denn in der Hoffnung, irgendwas zu treffen. Gegen ein Uhr morgens gab es auf Seiten der Kommunisten einen Toten und siebzehn Verwundete. Zu diesem Zeitpunkt gelang es uns endlich, die niedergeschossenen Kollegen zu bergen, die im Eingang des Kino Babylon lagen. Es waren drei Polizisten, und zwei davon waren tot. Der dritte, Wachtmeister Willig, der «Husar», war schwer verletzt. Er hatte einen Bauchschuss und war von einer weiteren Kugel in den Arm getroffen worden, und seine blaugraue Uniformjacke hatte sich dunkelrot gefärbt.
    «Die haben uns aufgelauert», keuchte er, als wir neben ihm knieten und auf den Krankenwagen warteten. «Die auf uns geschossen haben, saßen nicht auf den Dächern. Die feigen Schweine hatten sich in einem Torweg versteckt, und als wir an ihnen vorbeikamen, haben sie von hinten auf uns geschossen.»
    Der leitende Beamte, Kriminalrat Reinhold Heller, bat Willig, sich zu schonen, doch pflichtbewusst, wie er war, wollte der Wachtmeister unbedingt seinen Bericht abgeben.
    «Sie waren zu zweit. Handfeuerwaffen. Automatische. Hab meine Pistole leer gefeuert. Bin nicht sicher, ob ich einen von ihnen getroffen habe. Jung waren sie. Rabauken. Um die zwanzig. Haben gelacht, als sie gesehen haben, dass die beiden Hauptleute zu Boden gingen. Dann sind sie ins Kino gelaufen.» Er rang sich ein Lächeln ab. «Sind bestimmt glühende Verehrer der Garbo. Ich persönlich konnte sie ja nie besonders leiden.»
    Die Sanitäter kamen und trugen ihn auf einer Trage davon, sodass wir mit zwei Toten zurückblieben.
    «Gunther?», sagte Heller. «Sprechen Sie mit dem Kinoleiter. Finden Sie raus, ob irgendwer mehr gesehen hat als bloß den Film.»
    Heller war Jude, aber damit hatte ich kein Problem. Er war der Goldjunge von Kripochef Bernard Weiß, wogegen kaum jemand was gehabt hätte, wäre Weiß nicht ebenfalls Jude gewesen. Ich

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