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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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wiederzusehen.
    Als sie gegangen war, kaufte ich mir ein neues Päckchen Zigaretten und wollte gerade zurück zum Auto, als ich auf dem Platz einen Streifenpolizisten entdeckte und stehen blieb, um in der Sonne ein bisschen mit ihm zu plaudern. Er hieß Bauer, Wachtmeister Adolf Bauer. Wir redeten über dies und das: den Prozess gegen Charly Urban, wegen des Mordes im Mercedes-Palast, Brünings Notverordnungen, Hitlers Aussage vor dem Gericht in Moabit. Bauer war ein guter Bulle. Mir fiel auf, dass er während unseres Gesprächs ein Auto nicht aus den Augen ließ, das vor dem Karl-Liebknecht-Haus parkte, als kenne er das Fahrzeug oder den Mann, der geduldig wartend hinter dem Lenkrad saß. Dann sahen wir drei Männer aus dem Braustübl kommen und zu dem Mann ins Auto steigen. Einer war Erich Mielke.
    «Hoppla», sagte Bauer. «Das sieht nach Ärger aus.»
    «Den jungen Burschen kenne ich», sagte ich. «Den mit der Haartolle. Aber die anderen sagen mir nichts.»
    «Der am Steuer ist Max Thunert», sagte Bauer. «Ein kleiner KPD -Schläger. Einer der anderen ist Heinz Neumann. Der sitzt im Reichstag, was ihn aber nicht daran hindert, auch woanders Stunk zu machen. Den dritten Kerl kenne ich nicht.»
    «Ich war eben in der Kneipe», sagte ich. «Und da hab ich keinen von denen gesehen.»
    «Über der Kneipe gibt es einen Privatraum, den sie für ihre Treffen benutzen», sagte Bauer. «Ich bin sicher, da lagern sie auch Waffen. Denk dran, falls wir mal auf die Idee kommen, das Karl-Liebknecht-Haus zu durchsuchen. Und wenn die SA hier auf dem Platz zu einer Demonstration aufmarschiert, rechnen die bestimmt nicht damit, dass ihnen von da oben über der Kneipe aus eingeheizt werden kann.»
    «Haben Sie das dem Husaren erzählt?»
    Der Husar war ein Wachtmeister namens Max Willig, der häufig am Bülowplatz vorbeikam, wenn er auf Streife ging, und fast ebenso verhasst war wie Hauptmann Anlauf.
    «Hab ich.»
    «Hat er Ihnen nicht geglaubt?»
    «Er schon. Aber Richter Bode nicht, als wir ihn um einen Durchsuchungsbefehl gebeten haben. Er meinte, da müssten wir schon mehr Beweise haben als bloß mein ungutes Gefühl.»
    «Meinen Sie, die haben irgendwas vor?»
    «Die haben immer irgendwas vor. Schließlich sind es Kommunisten. Verbrecher, die meisten von ihnen.»
    «Verbrecher, die gegen das Gesetz verstoßen, kann ich nicht leiden», sagte ich.
    «Gibt’s denn noch eine andere Sorte?»
    «Die Verbrecher, die die Gesetze machen. Die Hindenburgs und Schleichers dieser Welt schaden der Republik mehr als die Roten und die Nazis zusammen.»
    «Da sagen Sie was.»
    Ich hätte vermutlich nie wieder von Erich Mielke gehört, wären da nicht zwei Dinge gewesen. Erstens kamen Elisabeth und ich uns näher, und gelegentlich erwähnte sie, dass sie ihn oder eine seiner Schwestern gesehen hatte. Und dann gab es da noch die Ereignisse vom neunten August 1931. So wie kein Amerikaner den Untergang der
Maine
vergessen würde, gibt es im Berlin der Weimarer Zeit keinen Polizisten, der sich nicht an den neunten August 1931 erinnert.

[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 12 DEUTSCHLAND 1931
    Der Sommer 1931 war hart. Obwohl neue Gesetze politische Gewalt zum Kapitalverbrechen machten, brachten die Nazis weiterhin Kommunisten um, fast in einem Verhältnis von zwei zu eins. Nach den Wahlen im Vorjahr, bei denen die Nazis ungleich größere Stimmengewinne verzeichnen konnten als die KPD , waren die Kommunisten deutlich gewalttätiger geworden, vermutlich aus purer Verzweiflung. Im Frühjahr war, gestützt durch die radikalen Parteien, darunter KPD und NSDAP , ein Volksbegehren für die sofortige Auflösung des Preußischen Landtags eingeleitet worden. Das alles spielte sich vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise ab, die sich 1931 verschärft hatte. In Amerika war gut die Hälfte aller Banken zusammengebrochen, und in Deutschland versuchten wir, mit fast fünf Millionen Arbeitslosen noch immer Kriegsschulden abzuzahlen. Den Franzosen und ihrem Diktat von Versailles sei Dank.
    Preußische Wahlen waren schon immer ein Barometer für das übrige Deutschland und meistens eine heikle Angelegenheit. «Jedem das Seine», so lautet das preußische Motto. Was man entweder als «Jedem nach seinem Verdienst» lesen kann oder als «Jedem, was er verdient». Weshalb die Nazis mit dem Spruch auch das Tor des Konzentrationslagers Buchenwald zierten. Und vielleicht bekamen Nazis und Kommunisten, was sie verdienten, als am neunten August die Ergebnisse des

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