Mission Walhalla
am Arm verletzt?»
«Nein. Nein, das war ein Unfall», sagte er. «Ich mache auch eine Ausbildung zum Jagdflieger. Ich hab beim Start einen Bruch gemacht. Ein dummer Fehler von mir.»
«Sind Sie sicher?»
Heydrichs selbstzufriedenes Grinsen erstarb abrupt, und einen Moment lang fürchtete ich, zu weit gegangen zu sein.
«Was soll das heißen?», sagte er. «Dass es kein Unfall war?»
«Das soll nur heißen, dass Sie doch sicherlich herausfinden wollen, was genau da schiefgelaufen ist, ehe Sie wieder fliegen. Was für ein Flugzeugtyp war es denn, Obergruppenführer?» Ich versuchte, ihn wieder von dem Gedanken abzubringen, auf den ich ihn vielleicht unklugerweise gebracht hatte.
Heydrich zögerte, als müsse er seine Antwort genauestens überdenken. «Eine Messerschmitt», sagte er schließlich. «Die Bf 110. Sie gilt nicht als besonders wendiges Modell.»
«Da haben wir’s doch. Ich wollte keineswegs andeuten, Sie wären kein guter Pilot, Obergruppenführer. Und ich bin überzeugt, die hätten Sie nicht ins Cockpit gelassen, wenn sie nicht sicher gewesen wären, dass das Flugzeug absolut flugtüchtig war. Ich bin ja noch nie geflogen, aber ich an Ihrer Stelle würde mich vergewissern, dass mit der Mechanik alles in Ordnung ist, ehe ich wieder aufsteige.»
«Ja, das sollte ich vielleicht tun.»
Schellenberg nickte bestätigend. «Das könnte jedenfalls nicht schaden, Obergruppenführer. Gunther hat recht.»
Er hatte eine ungewöhnlich hohe Stimme und sprach einen leichten Dialekt, den ich nicht einordnen konnte. Zudem hatte er etwas ungemein Adrettes und Gepflegtes, was mich an einen Butler oder an einen Verkäufer von Herrenoberbekleidung erinnerte.
Eine attraktive SS -Sekretärin – so was nannten wir damals eine «graue Maus» – trug ein Tablett mit drei Tassen Kaffee und drei Wassergläsern herein, wie in einem Café auf dem Ku’damm, und wir wurden zum Glück von Heydrichs Unfall abgelenkt – Schellenberg durch die Frau und Heydrich durch die Grammophonmusik, die zur offenen Tür hereindrang. Eine Weile stampfte er den Fuß zum Takt auf den Boden und grinste fröhlich.
«Ein großartiges Lied, finden Sie nicht?»
«Wunderbar, Obergruppenführer», sagte Schellenberg, der noch immer Heydrichs Sekretärin anstierte, was nahelegte, dass sein Kommentar sich eher auf sie als auf die Musik bezog.
Ich konnte es ihm nachempfinden. Sie hieß Bettina und war viel zu nett, um für einen Teufel wie Heydrich zu arbeiten.
Als sie den Raum verlassen hatte, fingen wir drei an zu singen. Es war eines der wenigen SS -Lieder, die ich gerne sang, weil es überhaupt nichts mit der SS oder auch nur mit Krieg und Kampf zu tun hatte. Und für einen kurzen Augenblick verlor ich mich darin und vergaß, wo ich war.
«
Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein
Und das heißt Erika.
Heiß von hunderttausend kleinen Bienelein
Wird umschwärmt Erika.
Denn ihr Herz ist voller Süßigkeit,
Zarter Duft entströmt dem Blumenkleid.
Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein
Und das heißt Erika.
»
Wir sangen alle drei Strophen, und danach waren wir so guter Stimmung, dass Heydrich Bettina anwies, uns Cognac zu bringen. Wenige Minuten später stießen wir auf Frankreichs Niederlage an, und dann erklärte Heydrich mir endlich, aus welchem Grund er mich in sein Büro beordert hatte. Er reichte mir eine Akte, wartete, bis ich sie aufgeschlagen hatte, und sagte: «Der Name auf der Akte sagt Ihnen was?»
Ich nickte. «Erich Mielke. Was ist mit ihm?»
«Sie haben ihm das Leben gerettet. Danach hat er zusammen mit einem Komplizen zwei Polizisten ermordet. Und dann wurde seine Festnahme von dem Juden vermasselt, der die Ermittlung leitete.»
«Sie meinen Kriminalrat Heller», sagte ich. «Ja, an den erinnere ich mich. Hat Heller nicht den Mord an dem Hitlerjungen im Beusselkiez aufgeklärt? Der von einem kommunistischen Schlägertrupp erstochen wurde? Wie hieß er noch gleich? Herbert Norkus?»
«Danke für den Geschichtsunterricht, Gunther», sagte Heydrich nachsichtig. «Herbert Norkus wird wohl keiner von uns je vergessen.»
Das war nicht weiter verwunderlich, denn der Mord an Norkus war zum Thema des allerersten Nazi-Propagandafilms gemacht worden. Ich selbst hatte den Film über die Hitlerjugend nicht gesehen, aber ich bezweifelte, dass Hellers Rolle darin auch nur erwähnt wurde. Dennoch hielt ich es für klüger, Heydrich gegenüber nicht weiter darauf rumzureiten.
«Sie werden sich freuen zu hören, dass
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