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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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jüdisches Blut haben.»
    Ich schüttelte wieder den Kopf.
    «Doch. Es steht alles in der Akte», sagte Heydrich.
    «Das bezweifle ich nicht, Obergruppenführer. Ich bin bloß enttäuscht. Sie wissen ja, dass ich Paul Kestner kenne, seit wir hier in Berlin auf dasselbe Gymnasium gingen.»
    «Es ist immer eine Enttäuschung, wenn man feststellt, dass man verraten wurde. Aber in gewisser Weise ist es auch befreiend. Es beweist, dass man sich letztlich nur auf sich selbst verlassen kann.»
    «Eins verstehe ich nicht», sagte ich. «Wenn Ihnen all das bekannt ist, warum soll ich mich dann überhaupt mit Kestner in Paris treffen?»
    Heydrich schnalzte laut mit der Zunge und schaute zur Seite, als wir auf den Nollendorfplatz fuhren. Dort zeigte er auf das Mozartsaal-Kino.
«Die vier Federn»,
sagte er. «Großartiger Film. Haben Sie ihn gesehen?»
    «Ja.»
    «Gut so. Es ist einer der Lieblingsfilme des Führers. Er handelt von Rache, nicht wahr? Auch wenn es eine sehr britische und sentimentale Art von Rache ist. Harry Faversham gibt den drei Männern und der Frau, die ihn der Feigheit bezichtigt haben, die vier weißen Federn zurück. Eigentlich absurd. An seiner Stelle würde ich den ehemaligen Kameraden richtiges Leid an den Hals wünschen. Vielleicht sogar den Tod, aber nicht, ohne mich als ihre Nemesis zu erkennen zu geben. Verstehen Sie, was ich meine?»
    «So allmählich, Obergruppenführer.»
    «Als Ihr vorgesetzter Offizier muss ich Sie darauf hinweisen, dass es kein Verbrechen ist, kommunistisches Parteimitglied gewesen zu sein, wenn man später zur Vernunft kommt und Nationalsozialist wird. Ich sollte Sie auch darauf hinweisen, dass Paul Kestner gute Beziehungen zur Wilhelmstraße hat und dass man dort beschlossen hat, über seine unehrenhafte Rolle in der Mielke-Affäre hinwegzusehen. Offen gesagt, wenn wir jeden Sipo-Beamten mit fragwürdiger Vergangenheit rausschmeißen würden, wäre bald keiner mehr übrig, den wir in eine Uniform stecken könnten.»
    «Weiß er Bescheid?», fragte ich. «Weiß er, dass seine Vorgesetzten wissen, was er getan hat?»
    «Nein. Solche Dinge behalten wir lieber in der Hinterhand. Falls wir mal jemanden zur Räson bringen und ihn dazu überreden müssen, das zu tun, was wir von ihm verlangen.» Heydrich schnippte seine Zigarette auf die Straße und hielt mir den verletzten Arm entgegen. «Aber wie Sie sehen, lauert die Unfallgefahr überall. Vor allem in Zeiten des Krieges. Und ich glaube, es würde kaum jemanden überraschen, wenn Hauptsturmführer Kestner im besetzten Frankreich ein Unglück zustoßen würde. Mich am allerwenigsten. Schließlich ist es ein langer Weg von Paris nach Toulouse, und ich würde behaupten, dass es noch immer ein paar französische Widerstandsnester gibt. Es wäre nur eine weitere Kriegstragödie, genau wie der Tod von Paul Bäumer am Ende von
Im Westen nichts Neues
; stirbt der nicht, als er nach einem Schmetterling greift?» Heydrich seufzte: «Ja. Eine wahre Tragödie. Aber keine sehr bedauerliche.»
    «Verstehe.»
    «Tja, die Sache liegt bei Ihnen, Hauptsturmführer Gunther. Ihr Rang als Oberkommissar der Kripo berechtigt Sie zum Rang eines SS -Hauptsturmführers. Genau wie Kestner. Mir persönlich ist egal, ob er lebt oder stirbt. Ihre Entscheidung.»
    Der Wagen schnurrte über die Tauentzienstraße auf die Stalagmitentürme der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zu und kam ruckelnd vor der Schneiderei zum Stehen. Im Schaufenster lag eine Schneiderpuppe wie ein Torso an einem Mordschauplatz, daneben stapelten sich einige Ballen zinnfarbenen Stoffes. Passanten beäugten Heydrich neugierig, als er aus dem Wagen stieg und o-beinig auf die Eingangstür von Wilhelm Holters zuging. Dass er Aufmerksamkeit erregte, wunderte mich nicht: Mit den zahllosen Orden und Abzeichen an seiner Luftwaffenuniformjacke sah er aus wie ein altgedienter Pfadfinder, zugegebenermaßen ein ziemlich unheimlicher.
    Ich folgte ihm in den Laden, dessen schrille Türklingel gellte, als kündigte sie Neuankömmlinge an, die die Pest mit sich hereinbrachten.
    Ein unscheinbarer Mann mit Kneifer auf der Nase, der eine schwarze Armbinde und Stehkragen trug, kam auf uns zu. Er rieb sich die Hände wie Pontius Pilatus und begrüßte uns mit einem reduzierten Lächeln, als stünde ihm gerade nur die Hälfte seiner Kraft zur Verfügung.
    «Guten Tag, Obergruppenführer Heydrich», sagte er leise. «Hier entlang bitte.»
    Er führte uns in einen Raum, der mich an einen Herrenklub

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