Mission Walhalla
Verstehen Sie, was ich damit sagen will, Gunther?»
«Ja, Obergruppenführer», sagte ich, schaute mich um und versuchte zu erraten, wo ein Mikrophon versteckt sein könnte.
«Gut. Dann werde ich weiterspielen. Das Stück ist von Mozart. Im Gegensatz zu ihm war sein Zeitgenosse Antonio Salieri kein genialer Komponist. Deshalb ist er heutzutage nur noch als der Mann bekannt, der Mozart ermordete.»
«Es ist mir neu, dass er ermordet worden ist, Obergruppenführer.»
«O doch. Salieri war neidisch auf Mozart, wie das bei unbedeutenden Männern oft der Fall ist. Würde es Sie überraschen, wenn Sie erführen, dass mir jemand nach dem Leben trachtet?»
«Wer?»
«Himmler natürlich. Der Salieri
de nos jours
. Himmler ist kein helles Köpfchen. Wenn er je bedeutende Gedanken haben wird, dann nur, weil ich sie ihm eingebe. Er überlegt wahrscheinlich sogar, wenn er eine Toilette betritt, was Hitler dort von ihm erwartet. Aber sicher ist: Einer von uns wird den anderen vernichten, und mit ein bisschen Glück wird er das Spiel gegen mich verlieren. Man sollte ihn jedoch nicht unterschätzen. Und das ist der Grund, warum ich Sie in der Sipo behalten will, Gunther. Denn sollte Himmler mich wider Erwarten doch besiegen, will ich, dass jemand die Beweise sammelt, die zu seinem Sturz beitragen. Jemand mit einer anerkannten Erfolgsbilanz als Ermittlungsbeamter bei der Kripo. Jemand, der intelligent und findig ist. Dieser Mann sind Sie, Gunther. Sie und ich, wir sind wie Voltaire und der Alte Fritz. Ich brauche Sie, weil Sie aufrichtig und geistig unabhängig sind.»
«Sehr schmeichelhaft, Obergruppenführer. Und ziemlich beängstigend. Wie kommen Sie darauf, dass ich einen Mann wie Himmler stürzen könnte?»
«Stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind, Gunther. Und hören Sie besser zu. Ich habe gesagt, zu seinem Sturz beitragen. Falls Himmler Erfolg hat und ich ermordet werde, wird es wie ein Unfall aussehen. Oder als wäre jemand anderes für meinen Tod verantwortlich. Unter diesen Umständen wird eine Untersuchung erforderlich sein. Als Chef der Kripo hat Arthur Nebe die Befugnis, jemanden zu ernennen, der diese Untersuchung leitet. Dieser jemand werden Sie sein, Gunther. Unterstützung erhalten Sie von meiner Frau Lina und von meinem engsten Vertrauten – einem Mann namens Walter Schellenberg vom SS -Abwehrdienst. Sie können sich darauf verlassen, dass Schellenberg einen opportunen Weg findet, dem Führer die Beweise für meine Ermordung zukommen zu lassen. Ich habe Feinde. Aber die hat auch das Schwein Himmler. Und einige seiner Feinde sind meine Freunde.»
Ich hielt inne und sah die beiden Amis an. «Deshalb hat er es mir unmöglich gemacht, bei der Kripo aufzuhören.»
«Und das ist der wahre Grund, warum Nebe Sie von Minsk zurück nach Berlin schickte», sagte der Ami mit der Pfeife. «Was Sie Silverman und Earp erzählt haben – dass Nebe Angst hatte, Sie könnten ihn in Schwierigkeiten bringen –, das war ein Märchen, nicht? Er hat Sie auf Heydrichs ausdrückliche Anweisung hin geschützt. Nicht wahr?»
«Ich nehme es an, ja. Erst als ich wieder in Berlin war und Schellenberg kennenlernte, fiel mir wieder ein, was Heydrich gesagt hatte. Und dann natürlich 1942, nach dem Attentat auf ihn.»
«Kommen wir auf Mielke zurück», sagte der Ami mit der schlechtsitzenden Brille. «War es Heydrich, der Sie auf ihn ansetzte?»
«Ja.»
«Wann war das?»
«Nach dem Gespräch am Klavier», sagte ich. «Einige Tage nachdem Frankreich gefallen war.»
«Also im Juni 1940.»
«Richtig.»
[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 15 DEUTSCHLAND 1940
Ich wurde erneut zu Heydrich in die Prinz-Albrecht-Straße bestellt, wo es gelinde gesagt hektisch zuging. Menschen hasteten mit Aktenstapeln unter den Armen durch die Gänge. Telefone klingelten nahezu ununterbrochen. Boten liefen umher und überbrachten wichtige Meldungen. Irgendwo spielte sogar ein Grammophon das Marschlied
Erika
, als wären wir die SS auf dem Weg zur Küste der Normandie. Und ungewöhnlicherweise hatten alle ein Lächeln auf den Lippen. In diesem Haus lächelte sonst niemand. Aber an dem Tag schon. Sogar ich. Dass wir Frankreich dermaßen schnell besiegt hatten, grenzte an ein Wunder. Sie müssen bedenken, viele von uns hatten vier Jahre lang in den Schützengräben Nordfrankreichs gehockt. Vier Jahre Kräftemessen und Gemetzel. Und dann ein Sieg über den Erzfeind in nur vier Wochen! Man musste kein Nazi sein, um sich darüber zu freuen. Und
Weitere Kostenlose Bücher