Mission Walhalla
ja.»
Ich spürte ein Zucken, wie es den Körper manchmal durchfährt, wenn der Schlaf ihn übermannt; wenn man plötzlich den verrückten Gedanken hat, gerade gestorben zu sein. Dieser kleine Tod fühlt sich wundervoll an. Weil er uns in Erinnerung ruft, wie schön es ist, am Leben zu sein.
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Kapitel 22 FRANKREICH 1940
Besonders schön war das Leben im Sommer 1940 in Paris, was unter anderem am Zimmermädchen vom Hotel Lutetia lag. Renata half mir, die Zeit zu vertreiben, was aber nicht heißen soll, dass ich sie ausnutzte. Im Gegenteil, ich ging sehr liebevoll mit ihr um, vielleicht auch, um mir selbst einzureden, dass ich kein so schlechter Mensch war, wie es das Feldgrau meiner Uniform vielleicht vermuten ließ. Ich will damit sagen, ich war kein Eugen Onegin. Natürlich begehrte ich sie. Und letztlich bekam ich sie auch. Aber ich ließ mir Zeit damit, wie man das eben tut, wenn einen genauso sehr interessiert, was eine Frau zwischen den Ohren hat, wie das, was sie zwischen den Schenkeln hat. Und als es dann so weit war, hatte ich das Gefühl, dass es dabei nicht nur um Lust ging, sondern um mehr. Liebe war es wahrscheinlich nicht; keiner von uns beiden dachte an Heirat. Aber es war romantisch: Umwerben, Begehren, Hangen und Bangen. Ja, auch bange Momente gab es, weil Renata fürchtete, dass ich meinen feuerlöschenden Drachen erschlagen würde, sobald ich herausgefunden hatte, warum er mich hatte kaltmachen wollen.
Während meines Abstechers nach Südfrankreich hatte Renata nicht nur Willms’ Zimmer durchsucht, sondern ihn sogar ein paarmal beschattet, weshalb sie wusste, dass er beinahe jeden zweiten Tag im Maxim’s zu Abend aß. Ein derartiger Luxus wäre schon für den Sold eines Generals ungewöhnlich gewesen, ein Untersturmführer machte sich damit geradezu verdächtig. Also beschloss ich, dem Restaurant selbst einen Besuch abzustatten, in der Hoffnung, Licht ins Dunkel zu bringen. In dieser Hinsicht war es für mich ein Glücksfall, dass das Maxim’s jetzt von Otto Horcher betrieben wurde, den ich aus Berlin kannte. Im Frühjahr 1938, als ich recht erfolgreich als Privatdetektiv tätig war, hatte Otto Horcher mich einmal engagiert. Ich sollte als Kellner getarnt in seinem Restaurant in Schönberg arbeiten, um rauszufinden, welcher seiner Mitarbeiter ihn regelmäßig bestahl. Wie sich herausstellte, machte das gesamte Personal lange Finger, aber einer, der Oberkellner, klaute noch viel mehr als alle anderen zusammen. Danach wurden wir Freunde, und obwohl er Nazi war und gut mit Göring befreundet – weshalb er auch das berühmteste Restaurant in Paris leiten durfte –, konnte ich mich stets darauf verlassen, einen Tisch bei ihm zu bekommen, wenn ich irgendwen beeindrucken musste, denn nach dem Borchardt galt das Horcher als beste Adresse in Berlin.
Das Maxim’s lag in der Rue Royale im achten Arrondissement und war eine Huldigung an Jugendstil, Grande Cuisine und roten Samt. Vor dem Lokal parkten mehrere deutsche Stabswagen, aber die feine Küche war nicht nur Deutschen vorbehalten. Als ich mit Renata dort war, sah ich Pierre Laval, einen der führenden Politiker der Vichy-Regierung, sowie Fernand de Brinon. Alles, was man brauchte, um eingelassen zu werden, war Geld – sehr viel Geld – und nach dem Essen ein paar Wismut-Tabletten. 1940 war das Maxim’s das Stammrestaurant von Männern und Frauen, die wussten, was sie wollten und wie sie es bekamen, koste es, was es wolle. Wahrscheinlich ist das auch heute noch so.
Als wir eintraten, scharwenzelte sogleich ein pomadiger Kellner um uns herum und führte uns an einen Tisch.
«Kannst du dir das denn leisten?», fragte Renata, während sie sich mit großen Augen umsah.
«Hier fühl ich mich wieder jung», sagte ich. «Seit meiner Jugend bin ich mir nicht mehr so arm vorgekommen.»
«Weshalb sind wir dann hier?»
«Weil wir etwas haben wollen, was nicht auf der Speisekarte steht: Informationen.»
«Über deinen Freund Willms?»
«Weißt du was? Wenn du ihn weiter so nennst, und sei es auch nur im Scherz, werde ich dir in aller Deutlichkeit erklären müssen, was ich am liebsten mit ihm anstellen würde.»
Ihr schauderte. «Nein, bitte. Ich will’s gar nicht wissen.» Sie ließ den Blick durchs Restaurant schweifen. «Er scheint nicht hier zu sein.» Sie stutzte, als sie Laval erspähte. «Müsste er aber eigentlich. Hier sind ja mehr Schlangen versammelt als in ganz Afrika.»
«Ich wusste gar nicht, dass du so
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