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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Beziehungen zu den Franzosen größtenteils gut waren und sich deutsche Offiziere allergrößte Mühe gaben, die Franzosen nicht vor den Kopf zu stoßen oder ihnen auf den administrativen Schlips zu treten.
    Inzwischen war der General, der selbst mit Stiefeln höchstens einen Meter fünfundfünfzig maß, am Eingang angelangt und nannte dem Türsteher das Kennwort.
    Ich nahm meine Mütze ab und rannte über die Straße auf den hochdekorierten Zwerg zu, als sich die Tür zum Puff öffnete. Ein Adjutant, der mich auf den General zulaufen sah, stellte sich mir in den Weg. Er war ein Oberst und trug ein Monokel.
    «General», rief ich. «General von Vollard-Bockelberg.»
    Ich setzte meine Mütze auf und grüßte zackig.
    «Ja», sagte der General und grüßte ebenfalls. Sein Kopf war nahezu haarlos. Er sah aus wie ein Baby mit Schnurrbart.
    «Gott sei Dank, Herr General.»
    «Willms, hab ich recht?»
    Das lief ja noch besser, als ich zu träumen gewagt hatte. Ich schielte nervös zu dem Türsteher hinüber und fragte mich, ob er Deutsch verstand, dann knallte ich die Hacken zusammen, was bei einem deutschen Offizier immer «ja» hieß.
    «Ich bin froh, dass ich Sie noch eingeholt habe, Herr General. Eine Einheit der französischen Gendarmerie ist hierher unterwegs und will in dem Haus eine Razzia durchführen.»
    «Was? General Schaumburg hat es mir als tadelloses Etablissement empfohlen.»
    «Oh, ich bin sicher, dass er damit recht hat, Herr General. Aber die Polizeipräfektur hat vom deutschen Ausschuss für Sitte und Moral den Befehl erhalten, Freudenhäuser, in denen Schwarze oder Juden beschäftigt sind, zu schließen, die Frauen zu verhaften und sämtliche deutschen Offiziere, die in den entsprechenden Häusern angetroffen werden, auf Geschlechtskrankheiten untersuchen zu lassen.»
    «Den Befehl hab ich selbst unterzeichnet», sagte der General. «Er war zum Schutz der gemeinen Soldaten gedacht. Nicht für hohe deutsche Offiziere. Nicht für Häuser wie dieses.»
    «Selbstverständlich, Herr General. Aber Sie wissen ja, wie die Franzosen sind. Anscheinend halten sie nicht besonders viel davon. Oder geben zumindest vor, nicht besonders viel davon zu halten, wenn Sie verstehen, was ich meine.» Ich blickte ungeduldig auf meine Uhr.
    «Um wie viel Uhr soll die Razzia stattfinden?», fragte der General.
    «Das kommt ganz drauf an, Herr General. Es hat sich nämlich längst nicht jeder die Mühe gemacht, sämtliche Uhren auf Berliner Zeit zurückzustellen, wie Sie das befohlen haben. Das gilt auch für die französische Polizei. Falls die Razzia nach Pariser Zeit stattfindet, dann könnte es jede Minute so weit sein. Wenn dagegen die Berliner Zeit gilt, reicht die Zeit vielleicht noch, um alle Offizierskameraden herauszuholen, ehe eine peinliche Situation entsteht.»
    «Er hat recht, Herr General», sagte der Adjutant. «Es gibt noch immer jede Menge Franzosen, die sich nicht an die offizielle deutsche Zeit halten.»
    Der kleine General nickte. «Willi», sagte er zu dem Adjutanten. «Gehen Sie rein und warnen Sie diskret alle Generalstabsoffiziere, die Sie auffinden können.»
    «Wünschen Sie, dass ich Ihnen helfe, Herr Oberst?»
    «Danke, ja, Hauptsturmführer Willms. Und danke für Ihr geistesgegenwärtiges Handeln.»
    Ich knallte wieder die Hacken zusammen und folgte dem Oberst durch die Tür, während der kleine General dem Türsteher die Sachlage erklärte, in perfektem Französisch, jedenfalls für meine Ohren.
    Eine gewundene, gusseiserne Treppe führte nach oben in einen hohen Raum mit so mächtigen Kronleuchtern, als wären sie für die Schneekönigin persönlich angefertigt worden. Die etlichen Rokoko-Wandgemälde ließen mich grübeln, ob Fragonard je beauftragt worden war, die Erinnerungen Casanovas mit größtmöglicher Obszönität zu illustrieren. Über meinem Kopf wölbte sich eine vergoldete Bogendecke, kostspielig verziert wie die Innenseite eines Fabergé-Eis. Es standen reichlich aufgepolsterte Stühle und Sofas herum; sie hatten lange Beine und schlanke Fesseln mit Kugel- und Tatzenfüßen. Die Frauen, die auf diesen Stühlen und Sofas saßen, hatten ebenfalls lange Beine und schlanke Fesseln, und vielleicht hatten sie auch Kugel- und Tatzenfüße, weil ich nämlich nicht auf die Füße achtete, da andere Aspekte ihrer Anatomie meine Aufmerksamkeit stärker erregten. Sie waren alle nackt. In diesem blattgoldverzierten Puff sollte jeder Mann mit roten Streifen an der Uniformhose Gelegenheit haben,

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