Mission Walhalla
dass die Kommunisten in den heißen Zeiten der Weimarer Republik nicht besser waren als die Nazis. Vielleicht sogar schlimmer. Immerhin hatte die Komintern die KPD angewiesen, die regierende SPD als den Hauptfeind zu betrachten und nicht die Nazis. Ist das zu fassen? Beim Roten Volksentscheid im August 1931 zogen Kommunisten und Nazis an einem Strang. Eine Art Nichtangriffspakt im Miniaturformat. Dafür hab ich sie immer verachtet. Im Grunde waren die Roten der Untergang der Republik, nicht die Nazis.» Ich bediente mich, ohne zu fragen, an den Zigaretten des Amis. «Und dann waren da noch meine persönlichen Erfahrungen mit sowjetischer Gastfreundschaft. Noch ein Grund, die Kommunisten zu hassen.»
«Tja, die hassen wir doch alle», sagte der mit der Pfeife.
«Da gibt es aber einen Unterschied. Ihr hasst die Russen nur, weil man euch beigebracht hat, sie zu hassen. Vorher waren sie fünf Jahre lang eure Verbündeten. Roosevelt und Truman haben Stalin die Hand geschüttelt und so getan, als wäre er anders als Hitler. War er aber nicht. Ich hasse die Roten, weil ich sie hassen gelernt habe, so wie ein Hund lernt, den Mann zu hassen, der ihn regelmäßig schlägt. In der Zeit der Weimarer Republik. Während des Krieges. An der russischen Front. Aber vor allem hasse ich sie, weil ich fast zwei Jahre in einem sowjetischen Arbeitslager verbracht habe. Und ich hab gedacht, mehr Hass könnte ich gar nicht für einen Menschenschlag empfinden – bis ich euch kennengelernt habe.»
«So schlimm sind wir gar nicht.» Der Mann mit der Pfeife nahm sie aus dem Mund und fing an, sie neu zu stopfen. «Wenn man uns erst richtig kennt.»
«Man gewöhnt sich an alles, das ist wahr», sagte ich.
Der mit der Brille schnalzte verärgert mit der Zunge. Inzwischen erinnerte ich mich dunkel daran, wie ich ihm vor sieben Jahren im Lazarett der Stiftskaserne begegnet war.
«Und dabei haben wir uns solche Mühe gegeben, Ihnen diese exklusive Suite zu besorgen», sagte er. Er fing an, seine Brille mit dem Zipfel seiner Krawatte zu putzen. «Ich fühle mich gekränkt.»
«Wenn Sie mit Ihrer Brille fertig sind», sagte ich, «die Fenster hier könnten auch mal geputzt werden. Bei Fenstern bin ich pingelig. Vor allem, wenn ich weiß, wer sie alles angehaucht hat. An dieser Zelle gefällt mir rein gar nichts, jetzt, wo ich weiß, wer zuletzt hier drinsaß.»
Der Mann mit der Pfeife zündete sie an. Hitler hätte diese Pfeife gehasst. Anscheinend hatten der Führer und ich doch eine Gemeinsamkeit.
Der Ami nuckelte am Pfeifenstiel, pustete süßlichen Rauch aus und sagte: «Neulich hab ich mir eine alte Wochenschau angesehen. Wie Hitler auf dem Tempelhofer Feld eine Rede hält. Vor einer Million Menschen. Angeblich dauerte es schon allein zwölf Stunden, bis alle auf dem Gelände waren, und nochmal zwölf Stunden, bis alle wieder weg waren. Wenn Sie an dem Abend zu Hause geblieben sind, dann wahrscheinlich als Einziger in ganz Berlin.»
«Vor den Nazis war das Berliner Nachtleben sehr viel besser», sagte ich.
«Das hab ich auch schon gehört. Soll ja ziemlich wild zugegangen sein. Dekadent, aber flott. Die vielen Nachtklubs. Stripteasetänzerinnen. Nackte Frauen. Offene Homosexualität. Was habt ihr euch bloß dabei gedacht? Ich meine, kein Wunder, dass die Nazis da den Fuß in die Tür bekamen.» Er schüttelte den Kopf. «Andererseits. München ist ziemlich langweilig, finde ich.»
«München hat auch Vorteile», sagte ich. «Zum Beispiel die Abwesenheit von Russen.»
«Sind Sie nach dem Kriegsgefangenenlager deshalb dorthin und nicht zurück nach Berlin gezogen?»
«War vermutlich ein Grund.»
«Sie sind ziemlich schnell wieder aus dem Lager rausgekommen.» Er hatte seine Brille blank geputzt und setzte sie wieder auf. Sie saß noch immer zu eng, und ich fragte mich, ob amerikanische Köpfe wie amerikanische Bäuche waren und schneller wuchsen als europäische. «Im Vergleich zu vielen anderen. Ich meine, einige Ihrer alten Kameraden kehren erst jetzt nach Hause zurück.»
«Ich hatte Glück», sagte ich. «Ich bin abgehauen.»
«Wie?»
«Mielke hatte damit zu tun.»
«Damit machen wir dann morgen weiter, ja? Wieder hier. Zehn Uhr.»
«Klärt das lieber mit meiner Sekretärin ab», sagte ich. «Weil ich nämlich morgen anfange, mein Buch zu schreiben.»
«Was hab ich Ihnen gesagt? Das hier ist wirklich der perfekte Raum für einen Schriftsteller. Vielleicht kommt der Geist von Adolf Hitler über Sie und sorgt für
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