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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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es weiter nach Vichy, wo wir unsere Gefangenen den Franzosen übergaben. Dann fuhren wir zur Grenze der besetzten Zone – ich glaube, der Ort hieß Bourges – und warteten dort, bis die Franzosen sie wieder an uns auslieferten. Eine lächerliche Prozedur, aber anscheinend bestanden die Franzosen auf dieser Farce. Unter den Gefangenen war auch der arme Herschel Grynszpan. Von Bourges fuhren wir dann zurück nach Paris, wo die Gefangenen eingesperrt wurden, ehe sie per Flugzeug nach Berlin gebracht wurden. Ich schätze, Sie wissen besser als ich, wie es mit Grynszpan weiterging. Mir ist nur bekannt, dass er eine Weile in Sachsenhausen war. Zu dem Schauprozess ist es nie gekommen.»
    «Ein Prozess war nicht nötig», sagte Hitler. «Seine Schuld lag auf der Hand. Außerdem hätte das für Pétain peinlich werden können. Genau wie der Prozess in Riom, wo dieser Jude Léon Blum gegen Laval ausgesagt hat.»
    Ich nickte. «Verstehe.»
    «Ich habe nicht erfahren, was danach mit ihm passiert ist», sagte Hitler. «Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern. Gegen Ende hatte ich ziemlich viel um die Ohren. Wahrscheinlich hat Himmler sich um ihn gekümmert. Ich vermute mal, er ist in Flossenbürg verendet, wie viele andere auch in den letzten Kriegstagen. Aber wissen Sie, Grynszpan hatte es verdient. Schließlich konnte zweifelsfrei bewiesen werden, dass er Ernst vom Rath ermordet hat. Seine Schuld steht außer Frage. Der Jude hatte einfach Lust, einen hochrangigen Deutschen zu töten, und vom Rath hatte zufällig das Pech, ihm zum Opfer zu fallen. Es haben sich anschließend viele Zeugen gemeldet, deren Integrität über jeden Zweifel erhaben war. Aber was verstehen Sie schon von Integrität und Aufrichtigkeit? Was Sie sich in Le Vernet geleistet haben, war ein grob betrügerischer und verräterischer Akt. Mir gegenüber und gegenüber Ihren Offizierskameraden.»
    «Ja, das stimmt», sagte ich. «Aber ich kann damit leben.»
    «Sind Sie anschließend sofort nach Berlin zurückgekehrt?»
    «Nein, ich bin noch eine Weile in Paris geblieben, unter dem Vorwand, noch weiter Erkundigungen über Erich Mielke einzuholen. Viele deutsche Kommunisten und Angehörige der Internationalen Brigaden waren freiwillig zur Fremdenlegion gegangen, um der Gestapo in Frankreich zu entgehen. Die Legion hat sich noch nie um die Vergangenheit eines Mannes geschert. Man meldete sich in Marseille und diente in den französischen Kolonien, ohne dass einem Fragen gestellt wurden. Daher zweifelte niemand meine Glaubwürdigkeit an, als ich in meinem Bericht an Heydrich behauptete, dass Mielke uns auf diese Weise entkommen war. Die Wahrheit ist wesentlich interessanter.»
    «Nicht für mich», sagte Hitler. «Ich interessiere mich wesentlich mehr dafür, was Sie mit dem Offizier angestellt haben, der Sie ermorden wollte.»
    «Wie kommen Sie darauf, dass ich was mit ihm angestellt habe?»
    «Ich weiß doch, wie Männer sind. Na los. Geben Sie’s zu. Sie haben mit diesem Untersturmführer Nikolaus Willms abgerechnet, nicht wahr?»
    «Ja, hab ich.»
    «Hab ich’s doch gewusst», sagte Hitler selbstzufrieden. «Sie halten hier scheinheilig über mich Gericht, mit Ihren Robert-Jackson-Fragen, aber hinter Ihrer selbstgerechten Visage sind Sie genau wie ich, Gunther. Sie sind ein Heuchler.»
    «Ja, das stimmt.»
    «Also? Was haben Sie mit ihm gemacht? Ihn an die Gestapo verraten? So wie Sie es mit diesem anderen Burschen getan haben? Diesem Gestapo-Hauptmann aus Würzburg. Wie hieß der nochmal?»
    «Weinberger.» Ich schüttelte den Kopf. «Nein, so war es nicht.»
    «Jetzt hab ich’s. Sie haben ihn Heydrich überlassen. Heydrich war schon immer sehr gut darin, unbequeme Leute loszuwerden. Das ist der einzige Grund, warum wir ihn überhaupt behalten haben.» Hitler lachte. «Für einen Mischling war er ein ausgezeichneter Nazi. Wahrscheinlich hatte er das Gefühl, sich doppelt anstrengen zu müssen, um sich mir gegenüber zu beweisen.»
    «Nein, so war es auch nicht. Ich habe Heydrich nicht eingeschaltet.»
    Hitler drehte seinen Stuhl, bis er mir direkt in die Augen sehen konnte, und rieb sich vergnügt die Hände. «Ich will alles hören. Jedes kleine schmutzige Detail.»
    Ich musste erneut gähnen. Ich war müde. Mir fielen schon die Augen zu. Ich hatte nur den einen Wunsch, endlich zu schlafen und von einem anderen Ort zu träumen.
    «Ich befehle Ihnen, es mir unverzüglich zu erzählen.»
    «Dann ist das also ein Führerbefehl?»
    «Wenn Sie so wollen,

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