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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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mir im Halbdunkel der Zelle Nummer sieben die Augen. Wie lange hatte ich geschlafen? Hitlers Schatten war verschwunden, vorläufig jedenfalls, und darüber war ich heilfroh. Mir passten seine herrischen Fragen ebenso wenig wie seine spöttische Unterstellung, ich sei im Grunde meines Herzens genauso ein Verbrecher wie er selbst. Vielleicht hätte ich Nikolaus Willms keinen tödlichen Kopfschuss verpassen sollen; aber wahrscheinlich hatte ich schon beim Versuch, ihn festzunehmen, insgeheim den Wunsch gehabt, ihn zu töten. Gut möglich, dass ich auch Paul Kestner abgeknallt hätte, wenn er mich mit einer Waffe bedroht hätte. Aber ich sah ihn nie wieder, und das Letzte, was ich über ihn hörte, war, dass er Teil eines Polizeibataillons in Smolensk war und Juden und Kommunisten umbrachte.
    Ich öffnete das Fenster und hielt mein Gesicht der Landsberger Morgendämmerung entgegen. Ich genoss die kühle Luft auf meiner Haut. Die Kühe auf den Weiden am anderen Flussufer sah ich nicht, aber ich konnte sie riechen und hören. Eine jedenfalls. Sie klang wie eine verlorene Seele an einem fremden Ort. Wie ich selbst.
    Das Paris des Jahres 1940 war weit weg. Was war das für ein Sommer gewesen, Renata sei Dank. Die Präfektur in Gestalt von Oberinspektor Oltramare akzeptierte meine Geschichte – dass ich Willms hatte festnehmen wollen, ihn dann aber bereits tot auffand –, ohne mit der Wimper zu zucken, obwohl er kein Wort davon glaubte; das war so unübersehbar wie der Eiffelturm. Die Sipo zeigte sich wenigstens ansatzweise skeptisch, und ich wurde ins Hotel Majestic in der Avenue des Portugais bestellt, um mich vor General Best, dem Chef des RSHA in Paris, zu verantworten.
    Best, ein dunkeläugiger, streng dreinblickender Mann, stammte aus Darmstadt und hatte eine starke Ähnlichkeit mit Rudolf Heß, dem Stellvertreter des Führers. Zwischen ihm und Heydrich gab es viel böses Blut, daher rechnete ich fast damit, dass er mich besonders fest in die Mangel nehmen würde. Stattdessen begnügte er sich mit einem milden Tadel, weil ich ohne vorherige Rücksprache Willms hatte festnehmen wollen. Damit konnte ich gut leben, und nachdem ich mich entschuldigt hatte, schien die Sache vom Tisch zu sein. Dann stellte sich heraus, dass er gerade an einem Buch über die deutsche Polizei arbeitete und sehr daran interessiert war, von mir Einblicke aus erster Hand zu bekommen. Wir trafen uns mehrfach in seinem Lieblingsrestaurant, einer Brasserie am Boulevard du Montparnasse namens La Coupole, wo ich ihm dann erzählte, wie es am Alex so zuging und in was für Fällen ich ermittelt hatte. Bests Buch erschien im Jahr darauf und verkaufte sich sehr gut.
    Genau genommen war er sogar so was wie mein Wohltäter. Ihm und seinem Buch war es nämlich zu verdanken, dass ich bis Juni 1941 in Paris bleiben konnte; und daher auch nicht nach Pretzsch fahren und mir Himmlers Einheizerrede für die SS und den SD zu Gemüte führen konnte. Ich wäre vielleicht sogar noch länger geblieben und gar nicht Richtung Ukraine aufgebrochen, wenn Heydrich nicht gewesen wäre. Dann und wann zog er gerne mal an der Schnur, um mich daran zu erinnern, dass ich an seinem Haken hing.
    Ich steckte mir eine Zigarette an und legte mich wieder aufs Bett, wartete darauf, dass das graue Licht heller wurde, der Raum Gestalt annahm und die gleichgültigen Wachen Landsbergs Häftlinge zu Leibesübungen, Frühstück und dem sogenannten freien Umgang aufscheuchten. Zu meiner Überraschung war mir der Kontakt zu den anderen Häftlingen nun wieder erlaubt. Auf die Gesellschaft von Biberstein und Haensch war ich allerdings nicht sonderlich scharf und hatte wenig Lust, mir ihre Sorgen, was ich den Amerikanern wohl erzählte und inwieweit das ihre Aussicht auf Begnadigung gefährden könnte, erneut anzuhören. Daher suchte ich stattdessen die Nähe zu Waldemar Klingelhöfer. Da er von allen anderen in Landsberg geschnitten wurde, konnte ich sicher sein, dass man mich in Ruhe ließ, solange ich mit ihm redete. Wir unterhielten uns im Garten, die Sonne warm auf unseren Gesichtern.
    Klingelhöfer war seit unserer gemeinsamen Zeit im Leninhaus um etliche Jahre gealtert, und er war vielleicht der einzige Häftling im WCP No. 1, dem man hinsichtlich der Dinge, die er getan hatte, ein Gewissen unterstellen konnte. Er sah aus, als ließen ihm seine Taten im Vorkommando Moskau keine Ruhe. Martin Sandberger, der ein kleines Stück entfernt saß und uns beobachtete, sah dagegen aus wie ein

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