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Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Romero erwischte und herausfand, daß er Annie getötet hatte. Vor meinem inneren Auge sah ich mich, wie ich ihn mit gespreizten Armen und Beinen an die Wand drückte, ihm die Beine auseinandertrat, sah, wie ich eine Pistole unter seinem Hemd herausriß, ihm die Handschellen so fest anlegte, daß die Haut um die Handgelenke zusammengequetscht wurde, und wie ich ihn dann auf den Rücksitz eines Polizeiwagens zwang.
    Ich sah solche Bilder vermutlich deswegen, weil ich sie bewußt sehen wollte. Aber sie hatten nichts mit dem zu tun, was ich empfand. Nein, sie entsprachen keineswegs dem, was ich fühlte.
    Gegen drei Uhr hörte es zu regnen auf, und dann gegen fünf, als die Sonne noch immer schien, setzte ein Schauer ein, und die Bäume entlang der Allee wurden in dem weichen gelben Licht dunkelgrün. Ich ging in das Café und aß zu Abend, dann zog ich mich wieder zurück in den Kleinlaster und beobachtete, wie der Verkehr dünner wurde, die Wäscherei schloß, die Schatten auf der Straße länger wurden, der leergewaschene Himmel sich rosa und lavendel verfärbte, gestreift von karminroten Wolkenbändern im Westen. In der Allee gingen die Neonlichter an und spiegelten sich in den Pfützen über den Gullis und auf dem breiten Flanierweg. Ein Schwarzer, der seinen Schuhputzerstand vor einem Geschenkartikelladen aufgebaut hatte, drehte sein Radio auf, das er auf der Brüstung des Schaufensters stehen hatte, und ich hörte die Übertragung eines Ballspiels aus dem Fenway Park mit. Die Tageshitze war verflogen, die aufgeheizten Ziegelmauern und der Straßenbelag aus Beton strahlten allmählich Wärme ab, und durch die offenen Türen meines Pickup wehte eine angenehm kühle Brise. Die große, olivgrüne Straßenbahn, deren Fenster jetzt erleuchtet waren, ratterte über die Schienen unter den Bäumen. Und dann, als das Zwielicht fahl wurde, ging in der Wohnung über der Wäscherei das elektrische Licht an.
    Fünf Minuten später kam Victor Romero die Hintertreppe herunter. Er trug Second-Hand-Hosen des Marineinfanteriecorps, ein Hawaiihemd in Übergröße mit aufgedruckten purpurnen Blumen und eine Baskenmütze auf den schwarzen Locken. Mit schnellem Schritt wich er den Pfützen auf dem Ziegelpflaster der Gasse aus und betrat den Seiteneingang eines kleinen Lebensmittelladens. Ich nahm die 45er aus dem Handschuhfach, schob sie in den Gürtel, zog das Hemd über den Griff und stieg aus dem Kleinlaster.
    Ich könnte auf dreierlei Weisen vorgehen, dachte ich. Ich könnte ihn im Laden stellen, doch wenn er bewaffnet war (und das war er wahrscheinlich, da er das Hemd über den Hosenbund gezogen hatte), konnte eine unbeteiligte Person verletzt oder als Geisel genommen werden. Ich könnte ihn am Seiteneingang zum Laden abpassen und ihn dann in der Gasse festnageln. Doch dabei verlöre ich den Vordereingang aus dem Blick, und wenn er nicht direkt in die Wohnung zurückging, sondern durch den Vordereingang hinauslief, konnte ich ihn völlig aus den Augen verlieren. Die dritte Möglichkeit war, daß ich im Schatten meines Pickup abwartete, während ich die eckigen Kanten der 45er hart an meinem Bauch und den Puls in meinem Hals jagen spürte.
    Ich öffnete und schloß die Hände, wischte sie an der Hose ab, atmete tief und langsam durch den Mund. Dann ging die Außentür zur Gasse auf, und Romero trat mit einer großen Papiertüte voller Lebensmittel auf dem Arm ins Neonlicht und blickte offen in Richtung Straße. Seine schwarzen Locken quollen unter dem Rand der Baskenmütze hervor, und in dem von den Ziegelmauern zurückgeworfenen Neonlicht wirkte seine Haut purpurn. Er zog den Hosengürtel mit dem Daumen hoch, schaute zum anderen Ende der Gasse und sprang über eine Pfütze. Dabei drückte er die freie Hand ans Kreuz. Ich beobachtete, wie er die Treppe hochstieg, in die Wohnung ging, die Tür schloß und als undeutlicher Schatten an einem Fensterventilator vorüberging.
    Ich überquerte die Straße, verhielt am Fuß der Treppe, zog den Schlitten der 45er zurück und ließ ein Hohlspitzgeschoß in die Kammer schnellen. Die Pistole fühlte sich schwer und warm in meiner Hand an. Ich hörte, wie Romero oben Lebensmittel aus der Papiertüte zog, Leitungswasser in ein Kochgeschirr laufen ließ, auf dem Herd mit Töpfen und Pfannen klapperte. Ich hielt mich am Geländer fest und stieg, während die Straßenbahn über die Schienen ratterte, zwei Stufen auf einmal hinauf. Ich duckte mich auf dem Podest unter das Fenster, drückte mich dann

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