Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Romero.«
»Ich hab’ Ihnen alles gesagt, was ich über den Kerl weiß. Sie sind ja ganz besessen, Mann.«
»Ich brauche einen Namen, Jerry. Irgendwen, der ihn verpfeift.«
»Ich weiß niemand. Ich sag’ Ihnen die Wahrheit. Ich hätt’ gar keinen Grund, den Vogel zu decken.«
»Das glaub’ ich ja. Aber du hast ’ne Menge Leute an der Hand. Du bist ein Mann mit viel Wissen. Du verkaufst Informationen. Falls du dich noch erinnerst – mich und Robin hast du für hundert Dollar verkauft.«
Seine Augen blickten durch das vergitterte Fenster auf die schattigen Bäume auf dem Rasen. Mit einem Handknöchel wischte er über das getrocknete Blut an seinem Nasenloch.
»Ich treib’ auf einem Eiswürfel, der in einer Kloschüssel schmilzt«, sagte er. »Was kann ich Ihnen groß sagen? Ich hab’ nichts, womit ich ein Geschäft machen kann. Ihre Fahrt hierher war Zeitverschwendung. Warum bringen Sie nicht die Bullen von der Sitte dazu, Ihnen zu helfen? Die glauben doch immer, daß sie alles wissen.«
»Die haben dasselbe Problem wie ich. Ein Kerl ohne Familie und ohne Freunde ist schwer zu finden.«
»Jetzt warten Sie mal. Was meinen Sie mit ›ohne Familie‹?«
»Das war die Information vom Ersten Distrikt.«
Ich sah neue Zuversicht und ein bösartiges Glitzern in seinem Blick.
»Drum schnappen die ja auch nie jemand. Er hat ’n Cousin ersten Grades. Ich weiß den Namen von dem Burschen nicht, aber Romero hat ihn vor sechs oder sieben Jahren mit in die Bar gebracht. Der Typ hat ’ne Nummer abgezogen, über die jeder im Quarter laut gelacht hat. Bei Maison Blanche hatten grade ein paar Kerle Botany-500-Anzüge im Wert von ungefähr zehntausend Dollar abgeräumt, ’türlich ist ’ne Menge drüber in der Picayune geschrieben worden. Also, dieser Cousin von Romero kriegt per Zufall ’ne ganze Ladung von diesen Hongkong-Spezialanfertigungen in die Finger. Sie wissen schon, diese Zwanzig-Dollar-Anzüge, die bloß noch Lumpen und Strippen sind, wenn man sie das erstemal aus der Reinigung holt. Der spricht also Geschäftsleute auf der Canal Street an und sagt: ›Ich hab’ ’n prima Anzug für Sie. Ganze hundert Dollar. Keine Firmenschilder. Sie wissen doch, wovon ich rede?‹ Ich hab’ gehört, daß er an diesen blöden Ärschen zwei oder drei Riesen verdient hat. Nachdem die rausgefunden hatten, daß sie geleimt worden sind, konnten sie auch nichts mehr dagegen unternehmen.«
»Wo ist der jetzt?«
»Weiß ich nicht. Ich hab’ ihn bloß ein–, zweimal gesehen. Das ist einer von den Typen, die bloß immer mal schnell ein Ding abziehen. Ich glaube, der hat ’ne Wäscherei gehabt oder so was.«
»Eine Wäscherei? Wo?«
»In New Orleans.«
»Nun komm schon, wo in New Orleans?«
»Weiß ich doch nicht, Mann. Was kümmert mich ’ne Scheiß–Wäscherei?«
»Und du kennst den Namen von dem Typ ganz bestimmt nicht?«
»Teufel, nein. Ich hab’ doch gesagt, das ist lange her. Ich war ganz ehrlich mit Ihnen. Sind Sie jetzt am Ball oder nicht?«
»Okay, Jerry, ich mach’ ein paar Anrufe. Inzwischen kannst du versuchen, dich an den Namen des Mannes mit der Reinigung zu erinnern.«
»Ja, ja. Wenn jemand schon ganz tief drinsteckt, müßt ihr ihn immer noch ein paar Zentimeter tiefer reingraben, wie?«
Ich ging zur Gittertür und rüttelte daran, damit der Deputy mich hinausließ.
»He, Robicheaux, ich hab’ keine Zigaretten. Wie wär’s mit ’ner Stange Luckys?« sagte Jerry.
»In Ordnung.«
»Stecken Sie ’n Zettel mit rein, auf dem steht, wie viele Päckchen in dem Karton gewesen sind. Dieser Kalfaktor macht lange Finger.«
»Du kriegst sie, Partner.«
Der Deputy ließ mich hinaus, und ich war wieder auf dem schmalen Streifen zwischen Gefängnis und Gerichtsgebäude, wo eine kühle Brise wehte. Ich konnte die Pinien auf dem Rasen riechen, die Hydrangeas, die an einem sonnenwarmen Mauerstück blühten, die Hot Dogs, die ein junger Schwarzer an einem Imbißstand an der Straßenecke verkaufte. Ich schaute zurück durch das Fenster des Gefängnisses auf Jerry, der allein am Holztisch saß und auf den Kalfaktor wartete, der ihn nach oben bringen würde; sein Gesicht war jetzt leer und stumpf und leblos wie ein Stück Talg.
Kapitel 10
Ich wartete bis Montag, bis die Geschäfte offen waren, und fuhr im rosa Licht der Morgendämmerung nach New Orleans, wo ich dann entlang der Straßenbahnlinie an der St. Charles Avenue nach Wäschereien und Trockenreinigungen suchte. New Orleans war einst von einem
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