Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
raus. Du denkst nicht mal mehr an sie, verstanden?«
»He, wie soll ich das denn machen? Soll ich so tun, als wenn ich sie nicht sehe? Sie arbeitet hier, Mann.«
»Nicht mehr. Übrigens, an deiner Stelle würde ich mir überlegen, einen Job außer Landes anzunehmen.«
Er machte ein verwirrtes Gesicht. Dann sah ich in seinen Augen langsames Begreifen aufdämmern und schließlich nackte Angst.
»Du hast kapiert, Jerry. Ich werde bald ein Gespräch mit Bubba Rocque haben. Und ich werd’ ihm sagen, wer mich geschickt hat. Überleg mal, wie wär’s denn mit dem Iran?«
Ich versenkte die 45er in der Tasche meines Regenmantels und ging aus der Bar in den Regen, der jetzt nachgelassen hatte und nur mehr in kleinen Bächen von den verzierten schmiedeeisernen Balkongeländern entlang der Straße rann. Die Luft war sauber und kühl und roch süß vom Regen, und während ich im Schutz der Gebäude zum Jackson Square und zur Decatur Street ging, wo mein Pickup geparkt war, konnte ich die von den Lichtern der Stadt erhellten Türme der St. Louis Cathedrale am nachtschwarzen Himmel sehen. Der Nebel über dem Fluß war dick wie Wolken, die Kellner hatten vor dem Café du Monde die Stühle übereinandergestellt, und der Wind wehte den Nebel über die Tische wie feuchtglänzende Tücher. In der Ferne tutete das Horn eines Dampfers.
Es war elf Uhr, als ich nach Hause kam. Der Sturm hatte aufgehört, und das Haus lag im Dunkeln. Die Pecanobäume standen naß und schwärz auf dem Hof, und die leichte Brise vom Bayou fuhr raschelnd durch ihre Blätter und schüttete Wasser auf das Blech des Vordachs. Ich sah nach Alafair, ging dann in unser Schlafzimmer, wo Annie in Slip und Pyjamaoberteil auf dem Bauch schlief. Der Fensterventilator lief, saugte die kühle Luft von draußen an und bewegte sacht den feinen Flaum ihrer Nackenhaare. Ich verstaute die 45er wieder in der Schublade, zog mich aus und legte mich neben sie. Die Müdigkeit kreiste in meinem Blut wie eine Droge. Sie bewegte sich leicht und drehte dann den Kopf auf dem Kissen von mir weg. Ich drückte ihr meine Hand auf den Rücken. Sie rollte sich herum, das Gesicht zur Decke gewandt, und legte den Arm über ihre Augen.
»Du bist heil zurückgekommen?« fragte sie.
»Sicher.«
»Sie blieb einen Augenblick still, und ich hörte, daß ihr Mund trocken war, als sie wieder sprach. »Wer ist sie, Dave?«
»Eine Tänzerin in einem Laden an der Bourbon Street.«
»Hast du alles erledigt?«
»Ja.«
»Ich schätze, du bist es ihr schuldig gewesen.«
»Nein, eigentlich nicht. Ich mußte sie nur aus der Schußlinie bringen.«
»Ich verstehe nicht, warum du dich ihr gegenüber verpflichtet fühlst.«
»Weil sie eine Trinkerin und Süchtige ist und nichts für sich selbst geregelt bekommt. Die haben ihr den Finger gebrochen, Annie. Falls die sie noch mal schnappen, wird es ihr noch viel schlimmer ergehen.«
Ich hörte, wie sie die Luft einzog. Dann legte sie die Hände auf den Bauch und starrte in die Dunkelheit.
»Es ist also noch nicht vorbei«, sagte sie.
»Für sie schon. Und der Kerl, der mit dafür verantwortlich ist, daß man mir das Gesicht eingetreten hat, wird schleunigst aus New Orleans verschwinden. Ich gebe zu, daß ich mich jetzt wesentlich besser fühle.
»Ich wünschte, ich könnte dein Gefühl teilen.«
Es war still im Zimmer, der Mond kam heraus Und warf Schatten in den Bäumen. Ich hatte das Gefühl, als würde ich für immer etwas verlieren. Ich legte meinen Fuß über einen der ihren und griff nach ihrer Hand. Sie war rauh und trocken.
»Ich hab’s mir nicht ausgesucht«, sagte ich. »Der Ärger hat uns eingeholt. Man muß sich Problemen stellen, Annie. Wenn du das nicht tust, folgen sie dir wie streunende Hunde.«
»Du hast mir immer erzählt, einer der wichtigsten Grundsätze der Anonymen Alkoholiker lautet: ›Nimm alles leicht‹.«
»Das bedeutet aber nicht, daß man seiner Verantwortung aus dem Wege geht. Es bedeutet auch nicht, daß man die Rolle des Opfers akzeptieren soll.«
»Vielleicht sollten wir mal über den Preis reden, den wir für unseren Stolz zu zahlen bereit sind.«
»Ich weiß nicht mehr, was ich noch sagen soll. Du verstehst nicht, und ich glaube nicht, daß du es je kannst.«
»Was soll ich denn empfinden, Dave? Du legst dich hier neben mich und erzählst mir, daß du bei einer Stripperin gewesen bist, daß du jemand aus New Orleans verjagt hast, daß es dir ein gutes Gefühl gibt. Von einer solchen Welt weiß ich nichts.
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