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Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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»Soldaten« und »Regen«. Doch selbst wenn ich sie verstanden hätte, ich hätte ihr keine Antwort geben können. Ich war viel verlorener als sie, alleingelassen für immer, mit dem Wissen, daß ich in jener Nacht, als meine Frau mich am meisten gebraucht hätte, aus dem Haus gegangen war, um im Dunkeln neben einem Ententeich zu sitzen und über die Vergangenheit und meine Alkoholneurose nachzugrübeln.
    Ich legte mich neben Alafair und zog sie eng an mich. Ich spürte ihre nassen Wimpern an meinem Gesicht.
    Dann, an einem heißen, strahlenden Nachmittag genau eine Woche, nachdem ich Annie beerdigt hatte, ohne daß es dramatische Zwischenfälle oder Aufregungen bei der Arbeit gegeben hätte, sondern bei blauem Himmel, über den flauschige Wolken zogen, riß ich die Verschlußkappe von einer Flasche Jax, sah zu, wie der Schaum über den bernsteinfarbenen Flaschenrand quoll und auf die Holzdielen im Fischköderladen tropfte, und trank sie in weniger als einer Minute leer.
    Zwei Anglerfreunde schauten von ihrem Tisch mit ausdrucksloser Miene zu mir, und in der Stille, die eingetreten war, hörte ich, wie Batist ein Streichholz an der Holztheke anriß und sich eine Zigarre anzündete. Als ich ihm ins Gesicht schaute, schnippte er das Streichholz zum offenen Fenster hinaus, und ich hörte es im Wasser aufzischen. Er wandte sich von mir ab, starrte hinaus in den Sonnenschein, und Rauch kräuselte über seinem Kopf.
    Ich faltete eine große Papiertüte auf, legte zwei Kartons Jax hinein, schüttete einen kleinen Eimer mit zerstoßenem Eis oben auf die Flaschen und klemmte mir die Tüte unter den Arm.
    »Ich fahre mit dem Außenborder ein Stück den Bayou runter«, sagte ich. »Mach in ein paar Stunden dicht und behalte Alafair bei dir, bis ich zurückkomme.«
    Er antwortete mir nicht, sondern starrte weiter hinaus in die Sonne, auf die Wasserlilien und das Schilf, die am Ufer wuchsen.
    »Hast du nicht gehört?« fragte ich.
    »Tu, was du nich’ lassen kannst, du. Du mußt mir nich’ sagen, wie ich auf das kleine Mädchen aufpassen soll.« Er ging zum Haus hinauf, wo Alafair auf der Veranda ein Buch ausmalte und schaute kein einziges Mal zu mir zurück.
    Ich brachte den Außenbordmotor auf volle Touren und sah zu, wie meine gelbweiße Bugwelle um die Wurzeln der Zypressen am Ufer schwappte. Jedesmal wenn ich eine Flasche Jax ansetzte, tanzte das Sonnenlicht wie braunes Feuer im Innern des Glases. Ich hatte kein Ziel, keinen Ort, an dem ich die ganze Energie, die sich kochend in meinen Händen ballte, hätte austoben können, keinen Plan für den Tag, mein Leben oder gar die nächsten fünf Minuten. Welchen Wert haben denn Pläne überhaupt? dachte ich. Ein Waldbrand hatte auch keinen oder eine Flutwelle, die eine Stadt in Kentucky im Schlamm begrub, oder ein Blitz, der in einen aufgeweichten Acker schlug und einen Bauern aus den Stiefeln riß. Solche Dinge passierten eben, und die Welt ging weiter. Warum mußte gerade Dave Robicheaux seinem Leben Ordnung und bestimmte Formen aufzwingen? Also verliert man eben mal die Kontrolle und meldet sich eine Weile ab, dachte ich. Die US-Armee verstand sich ganz hervorragend darauf. Man erklärte ein geographisch und politisch schwieriges Gebiet zu einer freien Feuerzone, und später stand man dann inmitten wirbelnder Asche, den Rauch von Napalm noch in der Nase, und bestimmte mit viel größerer Klarheit die Bedeutung jenes vormaligen, jetzt endgültigen Problems.
    Gegen Abend war der Benzintank leer, und zu meinen Füßen lagen halbgeschmolzene Eisstücke, durchweichtes braunes Papier und ein Haufen leerer Jax-Flaschen. Ich ruderte das Boot ans Ufer, warf das schwere Ankergewicht auf die Böschung, ging in der einsetzenden Abenddämmerung einen Sandweg hinunter zu einem Schnapsladen der Schwarzen und kaufte einen weiteren Sechserpack Bier und eine Halbliterflasche Jim Beam. Dann schob ich das Boot zurück ins Wasser bis zur Mitte des Bayou und trieb in der Strömung dahin, inmitten der Leuchtspuren von Glühwürmchen und den dunklen Wirbeln, die die Schuppenpanzer von Alligatoren knapp unterhalb der Wasseroberfläche hinterließen. Ich nippte von der Whiskeyflasche, spülte mit Bier nach und wartete. Manchmal stieß Whiskey die Tür zu einem Feuerofen auf, dessen Flammen mich wie ein Stück Zellophan verbrannten. Dann wieder konnte ich tagelang in einer milden Euphorie funktionieren, mäßig kompensiert und kontrolliert, ein Zustand, der vielleicht als Nüchternheit durchgehen

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