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Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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mochte. Dann wieder schaute ich manchmal in Untiefen des Gedächtnisses und fand dort Szenen wieder, die ich vergessen geglaubt hatte und von denen ich mir wünschte, ich könnte sie verbrennen wie Filmnegative auf glühenden Kohlen.
    So erinnerte ich mich an einen Ausflug zur Entenjagd mit meinem Vater, als ich dreizehn Jahre alt war. Wir hatten an einem kalten, grauen, windgepeitschten Tag auf einer Sandbank unweit dem Sabine Pass Posten bezogen, knapp vor der Stelle, wo dieser in den Golf einmündete. Die Stockenten und poules d’eau waren den ganzen Morgen tief über uns hinweggeflogen, und wir hatten sie wie Schmutzflecken am Himmel zerfetzt. Dann war mein Vater leichtsinnig geworden, vielleicht weil er am Abend davor getrunken hatte. Er hatte Schlamm im Lauf seines zwölfkalibrigen automatischen Schrotgewehrs, und als drei kanadische Wildgänse über uns hinwegflogen – viel zu hoch für einen guten Schuß –, war er schnell aufgesprungen, hatte sich, die Schrotflinte knapp über meinem Kopf, mit einer raschen Drehung in Stellung gebracht, und aus dem Lauf fetzte ein Hagel von Füllmaterial, Kordit, Vogeldunst und Stahlnadeln über die Oberfläche des Wasser. In meinen Ohren hallte die Explosion wider, und Stäubchen von heißem Pulver bedeckten mein Gesicht wie gemahlener Pfeffer. Ich sah die Beschämung in seinen Augen und roch den schalen Bierdunst in seinem Atem, als er mir das Gesicht mit einem nassen Taschentuch abwischte. Er versuchte, leichthin darüber hinwegzugehen, sagte, das habe er nun davon, daß er gestern nicht zur Messe gegangen sei, doch seinen Augen war sowohl Besorgnis wie Scham anzusehen, und sein Gesichtsausdruck war derselbe, wie er ihn immer hatte, wenn er wegen einer Prügelei in der Bar ins örtliche Gefängnis gesteckt worden war.
    Es war nur ein halber Kilometer bis zurück zu unserem Lager; es befand sich gleich auf der anderen Seite der Bucht, ein Stück den Kanal hinauf, der durch Schilfgras und Rohrkolben schnitt, eine Hütte auf Pfählen, deren Vorderseite dem Golf zugewandt war. Er wollte nur kurze Zeit wegbleiben und seine Schrotflinte, Kaliber 16, mit zurückbringen. Ich konnte derweil die Enten ausnehmen, die auf dem plattgetretenen gelben Gras am Boden der Sandbank einen Haufen aus mattem Grün und Blau bildeten. Und übrigens, ja, diese kanadischen Wildenten, die würden zurückkommen, sagte er.
    Aber hinten auf dem Kanal fuhr er mit dem Außenborder über einen unter Wasser treibenden Baumstamm, und der Propellerschaft brach weg wie ein Zweig.
    Ich wartete zwei Stunden auf ihn, das Messer in meiner Hand noch blutig von den warmen Eingeweiden der Enten. Der Wind von Süden her frischte auf, kleine Wellen klatschten auf die Sandbank, der Himmel bekam die Farbe von Brandrauch. Von der texanischen Seite der Küste hörte ich gedämpft das Plop  der Schrotflinte eines anderen Jägers.
    Hinter mir auf der Sandbank war ein Einbaum festgemacht. Ich entlud meine primitive kleinkalibrige Schrotflinte, sammelte die Schnur mit den Lockenten ein, die wir wie ein J auf dem Boden ausgelegt hatten, steckte die steif werdenden ausgeweideten Entenkadaver in den Jagdbeutel aus Leinwand, verstaute alles im Bug des Einbaums und legte ab mit Ziel auf den Kanal im breiten Schilfgürtel gegenüber.
    Doch der Wind hatte gedreht und wehte jetzt kräftig von Nordost, und ganz gleich, wie sehr ich mich abmühte und auf beiden Seiten des Einbaums das Stechblatt ins Wasser tauchte, ich trieb unaufhaltsam auf die Mündung des Pass und die schiefergrünen Wasser des Golfs von Mexiko zu. Ich paddelte, bis sich an meinen Händen Blasen bildeten und vom rauhen Holz aufplatzten. Dann warf ich das Ankergewicht über Bord, mußte jedoch, als ich sah, daß die Leine straff herunterhing, erkennen, daß der Grund zu tief war, der Anker nicht hielt, und schaute verzweifelt hinüber auf das Sumpfland von Louisiana, das immer weiter von mir wegglitt.
    Gischt von hohen Wellen sprühte mir ins Gesicht, und ich schmeckte Salzwasser in meinem Mund. Der Einbaum tauchte mit derartiger Wucht in die Wellentäler, daß ich mich an den Bordwänden festhalten mußte, und die Muskeln meines Hinterns zogen sich jedesmal vor Angst zusammen, wenn die Bodenbretter in mein Steißbein krachten. Ich versuchte, das eingedrungene Wasser mit einer Blechdose auszuschöpfen, verlor mein Paddel und sah es wie ein gelbes Stöckchen in den Wellen davontreiben. Die Schnur mit den Lockenten, mein Schrotgewehr und die Jagdtasche mit den

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