Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
legte, leicht in den Muskel drückte und mich zum Pickup führte, wo seine Frau in einem bedruckten Baumwollkleid unter einem aufgespannten Schirm neben der offenen Tür stand. Auf dem Weg zurück zum Haus saß ich still zwischen ihnen. Sie hatten den Versuch aufgegeben, mich anzusprechen, und ich starrte durch die Windschutzscheibe auf die Schlammpfützen auf dem Sandweg, den feuchten Schimmer auf den Stämmen der Eichen, das Wasser, das aus dem Geäst tropfte, die Nebelschwaden, die über dem Bayou hingen, vor unserer Kühlerhaube aufrissen wie eine Einladung zum Schlafen. In dem grauen Licht sah die Baumreihe am Weg wie ein Tunnel aus, durch den ich mich sicher fallenlassen konnte, bis er mich in einen kalten, abgeschlossenen Raum unter der Erde führte, wo Wunden von selbst heilten, wo das Fleisch nicht den Würmern preisgegeben war, wo man einen versiegelten Sarg öffnen konnte, aus dem ein strahlend schönes Gesicht lächelte.
Ich nahm die Arbeit am Anlegesteg wieder auf. Ich vermietete Boote, füllte Elritzen in die Fischkästen der Leute, machte ihnen Barbecue-Lunch, öffnete Sprudel– und Bierflaschen mit dem mechanischen Lächeln und den Bewegungen eines Mannes, der in einem Traum lebt. Wie stets, wenn man unerwartet einen geliebten Menschen verliert, machte auch ich die Erfahrung, wie freundlich Menschen sein konnten, doch nach einer Weile empfand ich fast den Wunsch, mich vor ihren wohlmeinenden Beileidsworten zu verstecken, ihrem teilnahmsvollen Händedruck und ihrem Schulterklopfen. Ich erfuhr, daß Schmerz eine ganz private und alles verzehrende Empfindung ist und daß man ihn, wenn er einen zu seinem Gefäß erkor, nicht leicht mit anderen teilen konnte.
Und vielleicht wollte ich ihn auch mit niemandem teilen. Nachdem die Spurensicherer vom Amt des Sheriffs die blutigen Bettücher zu einem Bündel gerollt und die Schrotkugeln aus dem Kopfbrett des Betts und aus den Wänden gekratzt hatten, verschloß und verriegelte ich die Tür, als versiegele ich ein Mausoleum, gefüllt mit Schmerz, den ich allzeit wiederbeleben konnte, indem ich einfach einen Schlüssel umdrehte. Als ich Batists Frau mit Scheuerbürsten und Eimern auf das Haus zukommen sah, um die Blutspuren im gesplitterten Holz zu beseitigen, kam ich vom Fischköderladen gerannt, schrie sie auf französisch mit der schneidenden Schärfe an, mit der man früher mit einer Negerin sprach, und sah ihr nach, als sie kehrtmachte und mit verletzter und verwirrter Miene zu ihrem Pickup ging.
In jener Nacht wurde ich vom Geräusch nackter Füße auf den Holzdielen und einem sich drehenden Türgriff aufgeweckt. Ich setzte mich von der Couch auf, auf der ich bei laufendem Fernseher eingeschlafen war, und sah Alafair neben der versperrten Schlafzimmertür sitzen. Sie trug ihre Schlafanzughose ohne Oberteil, und in ihren Händen hielt sie die kleine Plastiktasche, in der wir das alte Brot für die Enten gesammelt hatten. Ihre Augen standen offen, doch das kleine Gesicht war verhangen vom Schlaf. Im Mondschein, der durch die Vorderfenster fiel, ging ich auf sie zu. Ihre braunen Augen schauten leer zu mir hoch.
»Mit Annie Enten füttern«, sagte sie.
»Du träumst, mein Kerlchen«, sagte ich.
Ich versuchte, ihr die Plastiktasche sanft aus den Händen zu nehmen, doch ihre Augen und Hände waren im Traum gefangen. Ich berührte ihr Haar und ihre Wangen.
»Bringen wir dich wieder ins Bett«, sagte ich.
»Mit Annie Enten füttern?«
»Wir füttern sie morgen früh. En la mãnana. « . Ich versuchte, ihr ins Gesicht zu lächeln, und hob sie hoch. Sie legte eine Hand auf den Türknauf und bewegte ihn von einer Seite zur anderen.
» Dónde está? «
»Sie ist fortgegangen, mein kleines Kerlchen.«
Es gab nichts weiter zu sagen. Ich hob sie mir auf die Hüfte und trug sie zurück in ihr Zimmer. Ich legte sie aufs Bett, zog ihr das Laken über die Beine, setzte mich neben sie und strich ihr mit der Hand über das daunenweiche Haar. Im Mondlicht, das vom Fenster hereinfiel, sah ihre nackte Brust klein und schmal aus. Dann sah ich, wie ihr Mund zu zittern anfing wie damals in der Kirche, wie ihre Augen meinen Blick festhielten in der Erkenntnis, daß ich nicht helfen konnte, daß niemand helfen konnte, daß die Welt, in die sie geboren worden war, viel mehr Schrecken barg als irgendeiner ihrer Alpträume.
» Los soldados llegeron en la lluvia y le hicieron dano a Annie? «
Die einzigen spanischen Wörter, die ich aus ihrer Frage heraushörte waren
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