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Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack

Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack

Titel: Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Mamat, 39, der Straftat, die am 9. Oktober 1991 am Grenzkontrollpunkt Woodlands aufgeflogen war, für schuldig befunden.
    An der Anhörung nahmen zwei Dolmetscher teil.
    Einer übersetzte vom Englischen ins Malaysische und ein anderer vom Malaysischen ins Kelantanische für Mat Repin, der aus Kelantan stammt.
    Der Anklage zufolge hatte Mat Repin bei der Grenzkontrolle angegeben, keine Zigaretten zum Verzollen zu haben.
    Da er jedoch sichtlich nervös wirkte, beschloss der Zollbeamte, seinen Motorroller zu überprüfen.
    Auf die Frage, ob er Barang (persönliche Habseligkeiten) bei sich trage, erwiderte Mat Repin, dass sich unter dem Benzintank seines Rollers ein Kilogramm Ganja (Cannabis) befinde. Bei seiner Verteidigung gab er an, nicht gewusst zu haben, dass das Cannabis dort versteckt gewesen sei.
    The Straits Times, 24.04.1993
    Am selben Tag, als Mat Repin verurteilt wurde, fand auch der Prozess gegen den Holländer statt. Johannes Van Damme, ein Ingenieur, war mit einem Koffer mit doppeltem Boden gefasst worden, der mucho Barang enthielt: 4,32 Kilogramm Heroin, die von Bangkok nach Athen unterwegs gewesen waren.
    Der Anklage zufolge war Van Damme Komplize eines Drogenschmugglers und hatte sich bereit erklärt, für eine Summe von 20 000 US-Dollar den Koffer nach Athen zu transportieren. Drogenschnüffelhunde hatten den Koffer in Changi vom Band geholt, und Van Damme wurde im Transitraum verhaftet, wo er auf einem Sony-Fernseher an der Wand vermutlich gerade zugesehen hatte, wie Beavers Vater seinem Sohn das Fest der hungrigen Geister erklärte.
    Die Verteidigung erzählte eine andere Geschichte, die jedoch genauso wenig Sinn ergab wie die von Mat Repin. Van Damme sei angeblich nach Bangkok gereist, um einen Ehering für seine Tochter zu kaufen, und hätte dort einen Nigerianer kennengelernt, der ihn gebeten hatte, einen Koffer für ihn nach Athen zu bringen. »Man kann daraus schließen«, hatte der Verteidiger gesagt, »dass er entweder ein sehr naiver Mensch ist oder einer, der sich leicht von anderen ausnutzen lässt.« Himmel hilf, beides vermutlich. Das sollte wohl ein Gnadengesuch sein.
    Auf dem Zeitungsfoto sieht Johannes Van Damme tatsächlich so aus, als könne er nicht drei und drei zusammenzählen.
    Ob er schuldig ist, weiß ich nicht, aber ich habe ernsthafte Zweifel, ob Singapur ihn hängen sollte – selbst wenn er tatsächlich Teil eines Schmugglerrings war, der mehrere Kilo Heroin von einem Hinterzimmer in Bangkok zu den Junkies in der Plaka befördern wollte. Schließlich hat das mit Singapur wenig zu tun. Doch es herrscht eben »Null Toleranz«, erinnern Sie sich? Da lassen die Singapurer nicht mit sich reden.
    Und am nächsten Tag wurde auch über Johannes VanDamme das Todesurteil verhängt. Ihm steht noch mindestens eine Berufung zu, und er ist, um die Zeitung zu zitieren, »der erste Weiße«, der in Singapur mit dem Hintern in den Nesseln gelandet ist.
    »Meinen Hintern werde ich jetzt schleunigst hier rausbewegen«, sagte ich zu meinem Spiegelbild und zog ein weißes Hemd an, das so perfekt gebügelt war, dass man sich mit den Manschetten die Pulsadern hätte aufschlitzen können. Putzte mir die Zähne, überprüfte noch einmal mein Gepäck, vergaß, den australischen Singapore Sling in der Dose aus der Minibar für meine Frau mitzunehmen.
    Schaffte es in Rekordzeit, in die Lobby hinunterzufahren und auszuchecken. Das Taxi hatte ich für vier Uhr bestellt, obwohl ich dann zwei Stunden Aufenthalt in Changi hätte. Der Fahrer war noch halb im Tiefschlaf, wurde aber rasch munter. Ein äußerst redseliger Mensch – und der einzige Singapurer, der kaum Englisch sprach.
    Er nahm jede rote Ampel zwischen dem Hotel und Changi mit und kicherte dabei: »Zu früh für Polizei …«
    In Changi waren dagegen schon eine ganze Menge Polizisten im Einsatz, alle mit diesen riesigen österreichischen Maschinengewehren bewaffnet, die an khakifarbene Wasserpistolen erinnern. Anscheinend stand ich ein wenig neben mir, denn als ich ein zerknülltes Stück Papier auf dem makellosen Fußboden entdeckte, schoss ich ein paar Fotos davon. Bei den Polizisten kam das nicht so gut an. Sie maßen mich mit strengen Blicken, als sie das Papier einsammelten und wegbrachten.
    Ich vermied es, ihnen in die Augen zu sehen, rückte meinen Schlips zurecht und nahm Haltung an, bis ich schließlich in meinem Flieger von Cathay Pacific nach Hongkong saß.
    In Hongkong hatte ich in der Zollabfertigungshalle einmal riesige

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