Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack
online geht? Als ein riesiger Datenknotenpunkt, dessen Architektur mit der an eine Schweizer Uhr gemahnende Präzision der Infrastruktur mithaltenkann. Ohne Zweifel ist dies gegenwärtig das wichtigste Projekt im Land. Man fragt sich nur, wie die Singapurer mit dem Internet umgehen wollen, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen? Wie kommt eine durch und durch paternalistische Gesellschaft mit der Wildnis des Cyberspace zurecht? Oder würden sie einfach Wege finden, sich um die Auseinandersetzung zu drücken? Es heißt zwar, die Information strebe danach, frei zu sein. Aber kann es sein, dass die Singapurer bereit sein werden, sich mit dem Status quo zufrieden zu geben? Und es ihnen vielleicht gerade deshalb gelingt, ihren hohen Lebensstandard zu halten?
Werden die gesichtslosen Funktionäre, die Shonen Knife und Cosmopolitan von der Bevölkerung fernhalten, ihr wirklich Zugang zu den raumvernichtenden Datenautobahnen des Internets gewähren? Und noch wichtiger: Wäre das Verbot eines solchen Zugangs im kommenden Jahrhundert selbst für den beschränktesten Ordnungshüter überhaupt vorstellbar?
Schwer zu sagen. Möglicherweise liegt darin Singapurs wahre Bedeutung. Das offizielle Ziel der landesweiten IT2000-Initiative ist einfach: die Produktivität der Bevölkerung von 2,8 Millionen Menschen auf Dauer jährlich um drei bis vier Prozent zu erhöhen.
IT steht natürlich für »Informationstechnologie«, und dass Singapur bereit ist, sich mit dieser Technologie ernsthaft auseinanderzusetzen, ist durchaus beeindruckend. Aber die Singapurer sind eben praktische Menschen. Das National Computer Board hat ein Grenzkontrollsystem entwickelt, das ausländische Pässe in dreißig Sekunden überprüft und inländische in fünfzehn. Singapurs Straßen sind mit Sensoren ausgestattet, die den Verkehr in Echtzeit registrieren und reglementieren; die Ampeln sind computergesteuert, und das System passt sich ständig an, um die Verkehrslage zu optimieren und so oft wie möglich »grüne Wellen« zu schaffen. Eine andere grüne Welle wirdausgelöst, wenn die Feuersensoren eines Gebäudes anspringen. Dann erhalten die Rettungsfahrzeuge auf dem Weg zur Quelle des Alarms automatisch grünes Licht. Wieder ein anderes System steuert die unglaublich komplizierten Abläufe im Hafen der Stadt. Darüber hinaus ist ein »Smartcard«-System in Planung, um die Abrechnung der Gebühren für die Restricted Zone zu vereinfachen. (Die Restricted Zone ist der Teil der Innenstadt Singapurs, der gebührenpflichtig ist, wenn man mit einem Privatfahrzeug hineinfahren will. In Portland würde eine solche Zone wohl eher »Clean Air Zone« oder ähnlich heißen.)
Mit Technologie kennen die Singapurer sich also aus. Jetzt wollen sie eine Informationsstadt werden, deren Architektur von Grund auf durchgeplant ist. Ganze Ströme von Daten sollen durch diese Stadt hindurchfließen. Dennoch scheinen die Stadtbewohner davon auszugehen, dass sich dadurch für sie nichts ändern wird. Und das verwundert uns, und wahrscheinlich wundert es die Singapurer, dass es uns verwundert.
Sollten sie damit recht behalten, wäre das meiner Meinung nach eher traurig, nicht nur für Singapur, sondern für die ganze Menschheit. Es würde nämlich beweisen, dass ein Land trotz der Unterdrückung der Meinungsfreiheit florieren kann. Und dass die Information nicht zwangsläufig danach strebt, frei zu sein.
Vielleicht bin ich aber auch nur übermäßig pessimistisch – eine Berufskrankheit. (Kann es allerdings am Ende des 20. Jahrhunderts etwas Beängstigenderes geben als einen optimistischen Science-Fiction-Autor?) Vielleicht wird aus Singapur lediglich eine selbstzufriedene Neo-Schweizerische Enklave der Ordnung und des Wohlstands inmitten eines Meers unvorstellbarer … Verrücktheit.
Meine Güte. Was für ein Schicksal!
Genug, um einen aus dem Sessel in der Vorhalle des Meridien Singapore aufspringen zu lassen und ein Taxi zu rufen,um zu den fraktalfreien Korridoren des Airtropolis zurückzufahren.
Aber Moment. Mir blieb noch eine weitere Nacht, um über den Holländer nachzudenken.
Von dem Holländer habe ich noch gar nichts erzählt. Wie es aussieht, werden sie ihn wohl hängen.
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Ein Malaysier wurde gestern vom Obersten Gerichtshof zum Tode verurteilt, weil er vor knapp zwei Jahren nicht weniger als ein Kilogramm Cannabis nach Singapur geschmuggelt hatte.
Nach fünftägigem Prozess wurde Mat Repin
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