Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack
einem luftdicht versiegelten Glaskasten aufbewahrt wurde, ist der Schatz, den der Zeitreisende aus diesem Museum der Menschheitsgeschichte mitnimmt. Ein letztes funktionierendes Andenken an die Technologie: Licht und Zerstörung zugleich, in einer Schachtel, die in eine Handfläche passt. Streichhölzer, Kampfer und der schwere Hebel einer namenlosen Maschine, der als Knüppel und Brechstange dienen kann.
Der Zeitreisende verlässt das Museum mit den Werkzeugen seiner frühen Vorfahren: Feuer und Knüppel.
Ich hatte ebenfalls ein antikes Zerstörungswerkzeug in meinem Besitz – den Colt. Ich nahm ihn auseinander, ölte seine Teile und versteckte ihn, in Lappen gewickelt, an verschiedenen geheimen Orten. Im Virginia der frühen 60er-Jahre war es auch kein Problem, an eine Schachtel Munition zu kommen – beunruhigend schwere, fingerdicke Patronen von der Farbe eines neuen Kupferpennys.
Zu der Pistole war ich gewissermaßen genauso gekommen wie der Zeitreisende zu seinen Streichhölzern und dem provisorischen Knüppel. Doch während er den Palast aus grünem Porzellan mit einem Plan verlässt, hatte ich keinen – nur die unausgesprochene Furcht vor dem bevorstehenden Atomkrieg und dem Ende der Geschichte und das Bedürfnis, darauf vorbereitet zu sein.
Drei Jahre nach meiner persönlichen Entdeckung der Geschichte wurde bekannt, dass sowjetische Raketen in Kuba stationiert worden waren. Ich war der felsenfesten Überzeugung, dass meine Begegnung mit der Geschichte kurz vor dem Ende stünde und meine Spezies möglicherweise auch.
In seinem Vorwort zur Ausgabe von Der Luftkrieg von 1921 schrieb Wells über den Ersten Weltkrieg (damals konnte er ihn noch den Großen Krieg nennen): »Die große Katastrophe kam bei helllichtem Tage über uns. Ein jeder war überzeugt, dass irgendjemand sie noch würde aufhalten können, bevor es zu spät war. Im Kielwasser dieser großen Katastrophe folgen heute weitere.« Im Vorwort zur Ausgabe von 1941 hieß es dann: »Erneut verweise ich auf die Warnungen, die ich damals, vor zwanzig Jahren schon, ausstieß. Ist diesem Vorwort heute noch etwas hinzuzufügen? Nichts, außer meiner Grabinschrift, die zu gegebener Zeit lauten soll: ›Ich habe es euch doch gesagt. Ihr verdammten Narren.‹ (Die Kursivierung stammt von mir.)«
Die Kursivierung stammt tatsächlich von ihm, dem verärgerten Visionär, dem technologisch bewanderten Viktorianer, der das 20. Jahrhundert kommen sah, samt der erstaunlichen Veränderungen, die dieses mit sich bringen würde. Es ist die Kursivierung des ständig ungeduldigen und irgendwie wirklichkeitsfremden Futuristen, der zusehen muss, wie seine Welt in den Händen dümmerer und weniger weit entwickelter Menschen in die Brüche geht. Und diese Kursivierung gibt es auch heute noch, wenngleich ich Science Fiction, in der sie benutzt wird, inzwischen nicht mehr lese.
Vermutlich misstraue ich dem besonderen Geschmack dieser Kursivierung, seit der Oktober 1962 doch nicht das Ende der Welt brachte. Ich erinnere mich nicht mehr, wie die Kubakrise genau beendet wurde. Meine Ängste und die der ganzen Welt erreichten einen ungeahnten Höhepunkt. Und ebbten danach wieder ab, als die Geschichte weiterging. Seither ist so viel geschehen,dass mir die Welt meiner eigenen Kindheit manchmal kaum weniger fern erscheint als diejenige von Wells.
Möglicherweise fing ich bereits damals an, der Science Fiction zu misstrauen oder zumindest anders an sie heranzugehen. Meine anfängliche Begeisterung für dieses Genre begann langsam nachzulassen. Ich entdeckte Henry Miller und William Burroughs, Jack Kerouac und andere, andersartige Stimmen. Und die Science Fiction, die ich in der Folgezeit las, war eine, in der diese Stimmen zu hören waren.
Damals dämmerte mir vielleicht schon, dass die Geschichte, egal, in welcher Truhe sie sich verbirgt, wie die Science Fiction eine Form der spekulativen Literatur ist, die von verschiedenen Interpretationen und neuen Entdeckungen beeinflusst wird.
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Dieser Essay ist stärker autobiografisch als meine anderen Texte und das Resultat eines gescheiterten Projekts. Ich war gebeten worden, die Einleitung zu einer Neuausgabe der Zeitmaschine von H. G. Wells zu schreiben, und fand mich nicht in der Lage, einen Text abzuliefern, der den Vorstellungen des Verlags entsprochen hätte. Es sollte ein Essay über Wells werden, nicht über mich, doch die autobiografische Erzählung verdrängte immer wieder meine nicht sonderlich überzeugenden
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