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Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack

Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack

Titel: Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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gepostet, in dem Klatsch über Serienstars verbreitet wird.) Was bedeutet dieses Fischen nach Identitäten? Ist aus dem Zeitvertreib doch womöglich tragischer Ernst geworden?
    Im Zeitalter des Holzfernsehers waren Medien dazu da, zu unterhalten, Produkte zu verkaufen und vielleicht zu informieren. Damals war Fernsehen tatsächlich eine Freizeitbeschäftigung. In unserem von Medien übersättigten Zeitalter wird Fernsehen für uns immer mehr zur Arbeit. Als postindustrielle Geschöpfe einer Informationsökonomie ist unser Zugriff auf Medien längst eine Selbstverständlichkeit. Wir sind in dieser Hinsicht hochgradig befangen. Einfache Unterhaltung gibt es für uns nicht mehr. Wir sehen uns selbst dabei zu, wie wir fernsehen. Wir sehen uns dabei zu, wie wir Beavis and Butt-Head sehen, die sich Rockvideos ansehen. Einfach nur zuzuschauen, ohne jede Ironie, könnte sich als verhängnisvolle Naivität erweisen.
    Das ist unsere Reaktion auf alternde Medien wie Film und Fernsehen, Überlebende des hölzernen Zeitalters. Das Netz ist neu, und unsere Reaktion darauf hat sich noch nicht verfestigt. Was einen Großteil seines Reizes ausmacht. Es ist noch nicht ganz ausgeformt, im Wachstum begriffen, wie eine Larve. Es ist nicht, was es vor sechs Monaten war, und wird in weiteren sechs Monaten wieder etwas ganz anderes sein. Es war nicht geplant, sondern ist einfach passiert – eine Entwicklung, die sich fortsetzt. Es ist entstanden, so wie Städte entstehen. Es ist selbst eine Stadt.
    Am Ende des Zeitalters des Holzfernsehers prognostizierten die Futuristen der Sonntagsbeilagen das Aufkommen einer »Freizeitgesellschaft«. Die Technologie würde Arbeit im Sinne des marxschen Bewegens der Produktionshebel weitgehend überflüssig machen. Die Herausforderung wäre dann, unsereTage mit sinnvoller, gesunder und befriedigender Aktivität zu füllen. Wie bei den meisten Vorhersagen einer vergangenen Ära fällt es uns heute schwer zu begreifen, woher diese Vision stammt. Jedenfalls bietet uns unsere Welt kein Übermaß an Freizeit. Das Wort selbst ist uns irgendwie suspekt geworden, genauso anheimelnd und melancholisch wie die ramponierte Lederreisetasche in einem Ralph-Lauren-Schaufenster. Nur die ganz Alten oder die ökonomisch Benachteiligten (vorausgesetzt, sie sind nicht an den Zeitplan einer Sucht gebunden) verfügen über größere Mengen freier Zeit. Erfolgreich zu sein, heißt offenbar, chronisch beschäftigt zu sein. Während neue Technologien ständig die Lücken im globalen Kommunikationsnetz schließen, bleiben uns immer weniger Entschuldigungen für … Müßiggang.
    Und genau das ist es, was das World Wide Web, dieses Testbild für das künftige globale Leitmedium, uns zu bieten hat. In seiner unbeholfenen, larvenähnlichen, seltsam unschuldigen Form gibt es uns heute die Möglichkeit, Zeit zu verschwenden, ziellos umherzustreifen und uns Tagträumen über die zahllosen anderen Leben hinzugeben, die anderen Menschen vor den zahllosen Monitoren in diesem postgeografischen Metaland, das wir immer öfter unsere Heimat nennen. Vermutlich wird es sich schon bald in etwas weniger Zufälliges verwandeln – etwas, das deutlich weniger Spaß macht. Es wäre nicht das erste Mal. Derweil jedoch lässt sich im Netz in seiner herrlich ungeordneten Global-Ham-Television-Postcard-Universes -Phase wunderbar die Zeit vertrödeln. Und für Außenstehende sieht es vielleicht sogar so aus, als würden wir arbeiten.
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    »… die Suchmaschine von AltaVista«? Himmel hilf. Dieser Essay stammt noch aus einem Prä-Google-Universum. Ein wahrhaft zartes und ungeformtes Zeitalter.
    Dennoch, wenn ich diesen Text heute lese, stelle ich fest, dass sich das Netz tatsächlich so entwickelt hat, wie ich es mir vorgestellt hatte. Allerdings, wie es immer so ist, hat es dabei zugleich auch eine Reihe ungeahnter Facetten hinzugewonnen.
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Infinite Matrix
Januar 2006
    Auf die Science Fiction und die Menschheitsgeschichte stieß ich etwa gleichzeitig.
    Die Geschichte fand ich im Keller eines alten Backsteinhauses, an dem ich auf dem Weg zur Grundschule in einer Kleinstadt in Virginia jeden Tag vorbeikam.
    Das Haus stand leer, war jedoch zu gut erhalten, um ein Spukhaus zu sein, und hatte mich deshalb nie interessiert. Eines Nachmittags waren jedoch Handwerker eingetroffen, um es zu renovieren. Ich drückte mich an einer Sperrholzplatte vorbei und erkundete eine Reihe kalter, leerer Räume. In einem davon (mein Herz schlug schneller) stand eine

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