Mistelzweig und Weihnachtskuesse
Haushälterin. Manchmal besuchte sie Abendveranstaltungen am örtlichen College. An anderen Tagen half sie als Babysitterin aus oder lernte in der Bibliothek. Insgeheim dachte Holly, dass sie nurvor Jordan flüchtete.
„Ich verstehe nicht, warum er so stur ist“, sagte Holly, während sie Louise in die Küche folgte.
Wie immer war die Haushälterin sehr auffällig angezogen. An diesem Abend trug sie eine leuchtend orangefarbene, langärmelige Seidenbluse, die sie in ihre schwarze Jeans gestopft hatte. An den schlanken Hüften glitzerte ein goldener Gürtel. Als Ohrringe schaukelten ein Teekessel am einen sowie Tasse und Untersetzer am anderen Ohr zu ihren Bewegungen.
Holly bewunderte ihren Stil, auch wenn sie für sich selbst etwas anderes ausgesucht hätte. Für die Arbeit bevorzugte sie Rüschenblusen und lange fließende Röcke. Es passte zur Epoche des Ladens, außerdem konnte sie sich frei darin bewegen. Zum Glück hatte sie ihre Arbeitsgarderobe im Laden, denn vor dem Nachhauseweg schlüpfte sie gern wieder in Jeans. Von der Freizeitkleidung war viel verloren gegangen, aber wenigstens für die Arbeit konnte sie sich immer noch angemessen kleiden.
„Glauben Sie wirklich, dass er nichts merkt?“, fragte sie und lehnte sich gegen die Anrichte. Seit den fünfziger Jahren war der altmodische Raum nicht mehr modernisiert worden. Die Fliesen auf der Arbeitsfläche bildeten ein hell- und dunkelgrünes Schachmuster, und der große Herd mit den abgerundeten Kanten besaß an einer Seite eine Ablage. Das einzige moderne Gerät war die Mikrowelle auf dem Buffet.
„Selbst wenn, warum sollte er es zugeben?“ Louise bückte sich und holte einen großen Topf hervor. „Das sollte für die Nudeln reichen. Auf der hinteren Flamme köchelt die Soße, rühren Sie sie einfach ungefähr alle zehn Minuten um. Je länger sie kocht, desto besser.“
Dann wies sie auf einen Brotlaib neben dem Spülbecken. „Den habe ich heute Nachmittag frisch gekauft.“ Sie zwinkerte Holly zu. „Bestimmt denkt er sich, dass ich die Köchin bin. Aber es gefällt ihm, so zu tun, als wenn Sie es sind. So kann er weiter an mir herumnörgeln, und abends kommen Sie und unterhalten ihn. Was soll daran schlecht sein?“
„Wahrscheinlich haben Sie recht. Mich quält nur mein Gewissen, weil ich das ganze Lob für Ihr tolles Essen einstreiche.“
„Wenn er sich besser fühlt, wenn er glaubt, dass er Ihr Essen isst und nicht meins, dann lassen Sie ihn. Je schneller er gesund wird, desto früher komme ich hier raus.“
„Wie geht es ihm heute?“
Louise zog eine Grimasse. „Ziemlich schlecht. Der Trottel ist heute aufgestanden, obwohl der Arzt ihm Ruhe verordnet hat. Jedenfalls hat er es übertrieben und heute Nachmittag Fieber bekommen. Immerhin konnte ich ihn überreden, ein rezeptfreies Schmerzmittel zu schlucken. Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, schlief er. Vielleicht sollten Sie nach ihm sehen. Vermutlich wacht er in etwa einer Stunde von allein auf.“
„Gern.“ Holly strich mit den Händen über den Rock, dann sah sie Louise an. „Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.“
„Natürlich, worum geht’s?“
„Dürfte ich hier duschen?“ Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Schnell redete sie weiter, bevor sie noch der Mut verließ. „Seit dem Unwetter wohne ich in meinem Laden. Dort gibt es ein Bad mit einem Waschbecken, aber keine Dusche. Und ich würde wirklich gern meine Haare ausspülen, ohne mich über das kleine Becken zu bücken.“
Einige Sekunden starrte Louise sie nur fassungslos an. „Kindchen, danach müssen Sie nicht einmal fragen! Warum haben Sie denn nichts gesagt? Dieses Haus hat fünf Bäder,und Jordan benutzt nur eins davon. Kommen Sie.“
Damit marschierte sie aus der Küche, und Holly folgte ihr auf den Fuß. Rasch zeigte Louise ihr das Badezimmer im Erdgeschoss und den Schrank mit den frischen Handtüchern, dann gab sie ihr noch einen dicken Frotteebademantel.
„Der Knabe benutzt ihn nie, er ist also wie neu.“
An Shampoo und andere Kosmetika hatte Holly gedacht, aber den Bademantel hatte sie vergessen. Sie drückte den Stoff an sich. „Danke. Ich weiß das sehr zu schätzen.“
Energisch schüttelte Louise den blonden Schopf. „Ich habe zu danken. Wenn Sie ihn besuchen, verschaffen Sie mir eine Pause.“ Sie sah auf ihre Uhr. „Ich muss los, sonst komme ich zu spät. Ich will keinen Eintrag auf meiner Anwesenheitsliste, in diesem Semester habe ich mich noch kein einziges Mal
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