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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Noboru Wataya gewandt haben sollte. »Sie hat mich vor einer Woche angerufen und gesagt, sie habe etwas mit mir zu besprechen«, fuhr Noboru Wataya fort. »Wir haben uns getroffen und unter vier Augen geredet. Dabei hat Kumiko mir eröffnet, daß sie sich mit einem Mann trifft.«
    Zum erstenmal seit Monaten verspürte ich das Bedürfnis nach einer Zigarette. Natürlich hatte ich keine bei mir. Also nahm ich statt dessen einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse mit einem lauten, trockenen Klack auf die Untertasse zurück. »Dann ist sie von zu Hause ausgezogen«, sagte er.
    »Ich verstehe«, sagte ich. »Wenn Sie es sagen, muß es stimmen. Kumiko muß einen Liebhaber gehabt haben. Und sie hat sich um Rat an Sie gewandt. Es fällt mir noch immer schwer, es zu glauben, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie mich in einer solchen Angelegenheit anlügen würden.«
    »Nein, natürlich lüge ich nicht«, sagte Noboru Wataya mit dem Anflug eines Lächelns auf den Lippen.
    »Ist das also alles, was Sie mir zu sagen haben? Kumiko hat mich wegen eines anderen Mannes verlassen, und deswegen sollte ich in die Scheidung einwilligen?«
    Noboru Wataya antwortete mit einer einzigen knappen Nickbewegung, als bemühte er sich, Energie zu sparen. »Wie Ihnen bewußt sein dürfte, habe ich von der Idee, daß Kumiko Sie heiratete, von vornherein nichts gehalten. Ich habe nichts Aktives dagegen unternommen, weil ich der Ansicht war, die Angelegenheit gehe mich nichts an, aber jetzt wünschte ich beinahe, ich hätte es getan.« Er nahm einen Schluck Eistee und stellte sein Glas lautlos auf den Tisch zurück. Dann fuhr er fort: »Seit unserer ersten Begegnung habe ich mir aus gutem Grund keinerlei Hoffnungen gemacht, aus Ihnen könnte jemals etwas werden. Ich habe nichts gesehen, was zu solchen Hoffnungen berechtigt hätte, nichts, was auf die Möglichkeit hingedeutet hätte, daß Sie je etwas Nennenswertes zustande bringen oder sich auch nur zu einem achtbaren Menschen entwickeln würden: nichts, womit Sie aus sich oder aus was auch immer etwas hätten machen können. Ich wußte, was immer Sie anfangen würden, würde unfertig liegenbleiben, Sie würden niemals irgend etwas zu Ende bringen. Und ich hatte recht. Sie sind sechs Jahre lang mit meiner Schwester verheiratet gewesen, und was haben Sie in dieser ganzen Zeit geleistet? Nichts, richtig? In sechs langen Jahren haben Sie nichts anderes zuwege gebracht, als Ihre Stelle zu kündigen und Kumikos Leben zu ruinieren. Jetzt sind Sie arbeitslos und haben keinerlei Pläne für die Zukunft. Sie haben nichts im Kopf als Müll und Schrott.
    Warum Kumiko sich überhaupt mit jemandem wie Ihnen zusammengetan hat, werde ich nie begreifen. Vielleicht fand sie den Müll und Schrott in Ihrem Kopf interessant. Aber schließlich ist Müll Müll, und Schrott ist Schrott. Sie waren von Anfang an nicht der Richtige für sie. Was keineswegs bedeuten soll, daß Kumiko perfekt wäre. Sie hat seit ihrer Kindheit, aus der einen oder anderen Ursache, durchaus auch ihre Absonderlichkeiten. Das dürfte der Grund dafür gewesen sein, daß sie sich vorübergehend zu Ihnen hingezogen fühlte. Aber das ist jetzt alles vorbei. Das Beste wird jedenfalls sein, so schnell wie möglich einen Schlußstrich unter die Angelegenheit zu ziehen. Meine Eltern und ich werden ein Auge auf Kumiko haben. Wir wollen, daß Sie sich zurückziehen. Und versuchen Sie nicht, sie zu sehen. Sie haben mit ihr nichts mehr zu tun. Jeder Einmischungsversuch Ihrerseits würde lediglich unnötige Komplikationen verursachen. Das Beste, was Sie tun können, ist, in einer neuen Umgebung ein neues Leben zu beginnen - ein Ihnen eher angemessenes Leben. Das wäre das Beste für Sie und das Beste für uns.«
    Zum Zeichen, daß er geendet hatte, trank Noboru Wataya das restliche Make-up in seinem Glas aus, rief den Kellner und bestellte sich neues. »Haben Sie sonst noch etwas zu sagen?« fragte ich.
    Diesmal bestand Noboru Watayas Antwort in einem knappen, gerade angedeuteten Kopfschütteln.
    »In diesem Fall«, sagte ich, zu Malta Kano gewandt, »wüßte ich gern, wie jetzt die richtige Ordnung in die Sache kommt.«
    Malta Kano holte ein kleines weißes Taschentuch aus ihrer Handtasche und betupfte sich damit die Mundwinkel. Dann hob sie ihren roten Vinylhut auf und legte ihn auf ihre Tasche.
    »Das alles muß für Sie sehr schockierend sein, Herr Okada«, sagte sie. »Und mir wiederum ist es, wie Sie sich vorstellen können, äußerst

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