Mister Aufziehvogel
unangenehm, Ihnen gegenüberzusitzen, während wir über solche Dinge reden.« Noboru Wataya warf einen Blick auf seine Uhr, um sich zu vergewissern, daß die Welt sich noch immer um ihre Achse drehte und ihn seine kostbare Zeit kostete. »Ich sehe jetzt«, fuhr Malta Kano fort, »daß ich Ihnen die Sache so schlicht und einfach wie möglich erzählen muß. Frau Okada suchte zuerst mich auf. Sie bat mich um meinen Rat.«
»Auf meine Empfehlung hin«, warf Noboru Wataya ein. »Kumiko hat sich wegen des Katers an mich gewandt, und ich habe sie mit Frau Kano bekannt gemacht.«
»War das, bevor oder nachdem ich mich mit Ihnen getroffen habe?« fragte ich Malta Kano. »Bevor«, sagte sie.
»In diesem Fall«, sagte ich, »dürfte die richtige Ordnung oder Reihenfolge der Ereignisse in etwa so aussehen: Kumiko erfährt durch Noboru Wataya von Ihrer Existenz und sucht Sie wegen des verschwundenen Katers auf. Dann verschweigt sie mir aus Gründen, die mir noch unklar sind, daß sie Sie bereits gesprochen hat, und arrangiert für mich ein Treffen mit Ihnen - zu dem es dann auch kommt, genau in diesem Lokal. Habe ich recht?«
»Das ist in etwa richtig«, sagte Malta Kano etwas verlegen. »Mein erstes Gespräch mit Frau Okada betraf ausschließlich den Kater. Ich konnte allerdings erkennen, daß sich hinter der Sache noch etwas mehr verbarg, weswegen ich den Wunsch äußerte, mich mit Ihnen zu treffen und direkt mit Ihnen zu sprechen. Dann ergab sich die Notwendigkeit, mich ein weiteres Mal mit Frau Okada zu treffen und ihr einige grundlegendere, persönliche Fragen zu stellen.«
»Bei welchem Anlaß Kumiko Ihnen erzählt hat, daß sie einen Liebhaber hatte.«
»Ja. Ich glaube, so verhält es sich im wesentlichen. Aufgrund meiner besonderen Lage ist es mir nicht möglich, hier mehr ins Detail zu gehen«, sagte Malta Kano.
Ich stieß einen Seufzer aus. Nicht, daß zu seufzen irgend etwas genützt hätte, aber ich hatte es im Augenblick einfach nötig. »Kumiko hatte also schon seit einiger Zeit ein Verhältnis mit diesem Mann?«
»Seit ungefähr zweieinhalb Monaten, glaube ich.«
»Zweieinhalb Monate«, sagte ich. »Wie war es nur möglich, daß es zweieinhalb Monate lang so gegangen ist, ohne daß ich etwas gemerkt habe?«
»Dies war möglich, Herr Okada, weil Sie nicht im mindesten an Ihrer Frau zweifelten.«
Ich nickte. »Das stimmt. Es ist mir nicht ein Mal in den Sinn gekommen. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, daß Kumiko mich derart belügen könnte, und ich kann es noch immer nicht wirklich glauben.«
»Von den Folgen einmal abgesehen, ist die Fähigkeit, einem anderen Menschen uneingeschränktes Vertrauen entgegenzubringen, eine der schönsten Eigenschaften, die ein Mensch besitzen kann.«
»Keine leicht zu erwerbende Fähigkeit«, sagte Noboru Wataya. Der Kellner erschien und füllte meine Tasse nach. Am Nebentisch mußte eine junge Frau gerade über irgend etwas lauthals lachen.
»Schön«, sagte ich zu Noboru Wataya, »aber was ist nun der eigentliche Zweck dieses Treffens? Warum sitzen wir drei hier zusammen? Damit ich einwillige, mich von Kumiko scheiden zu lassen? Oder hat die Sache noch einen tieferen Zweck? Was Sie vorhin gesagt haben, schien zwar eine gewisse innere Logik zu haben, aber alle wichtigen Punkte sind noch unbestimmt. Sie sagen, Kumiko hat einen Mann und ist von zu Hause ausgezogen. Also wo ist sie hin? Was tut sie dort? Ist sie allein, oder ist sie mit ihm zusammen? Warum hat sich Kumiko nicht mit mir in Verbindung gesetzt? Wenn’s stimmt, daß sie einen anderen Mann hat, ist es aus. Aber ich glaube erst dann, daß es stimmt, wenn ich es direkt von ihr höre. Verstehen Sie, was ich meine? Die einzigen, die hier zählen, sind Kumiko und ich. Wir sind diejenigen, die miteinander reden und Entscheidungen treffen müssen. Sie haben mit der Sache nicht das geringste zu tun.« Noboru Wataya schob sein unberührtes Glas Eistee beiseite. »Wir sind hier, um Sie von der Situation zu unterrichten « , sagte er. »Ich habe Frau Kano gebeten, mich zu begleiten, weil ich der Ansicht war, daß es besser sein würde, einen unbeteiligten Dritten dabeizuhaben. Ich weiß nicht, wer Kumikos anderer Mann ist, und ich weiß nicht, wo sie sich gegenwärtig aufhält. Kumiko ist ein erwachsener Mensch. Sie kann tun und lassen, was sie will. Aber selbst, wenn ich wüßte, wo sie ist, würde ich es Ihnen mit Sicherheit nicht sagen. Sie hat sich deswegen nicht mit Ihnen in Verbindung gesetzt, weil sie nicht
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