Mister Aufziehvogel
aufzutischen«, sagte May Kasahara. »Ich bin nicht Ihre Frau. Das geht mich alles nichts an, aber eins möchte ich Ihnen doch sagen: Sie haben ein Problem.«
»Da magst du recht haben.«
»Ihnen geht’s zur Zeit ganz schön mies, das weiß ich. Aber ich kann mir nicht helfen, ich werd das Gefühl nicht los, daß Sie sich das alles selbst eingebrockt haben. Sie haben irgendein ganz fundamentales Problem, und das zieht Ärger an wie ein Magnet. Jede Frau, die auch nur ein bißchen Grips hat, würde bei Ihnen schleunigst das Weite suchen.«
»Da magst du recht haben«, sagte ich noch einmal.
May Kasahara blieb an ihrem Ende der Leitung ein Weilchen stumm. Dann räusperte sie sich einmal und sagte: »Gestern abend sind Sie auf die Gasse gekommen, nicht? Haben sich lange hinter meinem Haus herumgedrückt, wie so ein Hobby-Einbrecher … Keine Angst, ich hab Sie da gesehen.«
»Warum bist du dann nicht rausgekommen?«
»Wissen Sie, Mister Aufziehvogel, ein Mädchen hat nicht immer Lust rauszukommen. Manchmal hat sie Lust, biestig zu sein - so: Wenn der Typ warten will, dann soll er richtig warten.« Ich stieß einen Grunzer aus.
»Aber trotzdem kam ich mir mies vor«, fuhr sie fort. »Also hab ich mich später den ganzen Weg bis zu Ihrem Haus geschleppt - wie eine blöde Gans.«
»Und ich umarmte grad die Frau.«
»Genau, aber hat die nicht irgendwie ne Macke? Kein Mensch zieht sich mehr so an. Und wie die erst geschminkt ist! Die leidet wohl irgendwie, na, unter ner Zeitverschiebung. Die sollte sich mal den Kopf untersuchen lassen.«
»Keine Angst«, sagte ich, »sie hat keine Macke. Die Geschmäcker sind eben verschieden.«
»Klar, sicher. Jeder kann von mir aus mit seinem Geschmack selig werden. Aber so weit geht kein normaler Mensch, bloß wegen dem Geschmack. Die sieht ja aus wie - was? - wie glatt aus einer alten Zeitschrift gestiegen: alles an ihr, von Kopf bis Fuß.«
Dazu sagte ich nichts.
»Sagen Sie, Mister Aufziehvogel, haben Sie mit ihr geschlafen?«
Ich zögerte einen Augenblick und sagte dann: »Nein, hab ich nicht.«
»Wirklich nicht?«
»Wirklich nicht. Eine körperliche Beziehung von der Art habe ich nicht mit ihr.«
»Warum haben Sie sie dann umarmt?«
»Frauen haben manchmal das Bedürfnis danach: Sie wollen umarmt werden.«
»Möglich«, sagte May Kasahara, »aber so was kann ein bißchen gefährlich sein.«
»Stimmt«, sagte ich.
»Wie heißt sie denn?«
»Kreta Kano.«
May Kasahara blieb erst einmal stumm. »Das war ein Witz, ja?« sagte sie schließlich.
»Überhaupt nicht. Und ihre Schwester heißt Malta Kano.«
»Malta!? Das kann doch unmöglich ihr richtiger Name sein!«
»Ist es auch nicht. Es ist sozusagen ihr Künstlername.«
»Was sind die beiden denn, ein Komikerduo? Oder haben die irgendwas mit dem Mittelmeerraum zu tun?«
»Eine gewisse Beziehung zum Mittelmeerraum besteht da schon, ja.«
»Zieht sich die Schwester wenigstens wie ein normaler Mensch an?«
»Weitgehend«, sagte ich. »Zumindest ist ihre Kleidung erheblich normaler als Kretas. Außer, daß sie immer so einen roten Vinylhut trägt.«
»Irgend etwas sagt mir, daß auch sie nicht ganz normal ist. Warum müssen Sie sich eigentlich immer unbedingt mit so abwegigen Leuten herumtreiben?«
»Also das wäre jetzt wirklich eine lange Geschichte. Falls sich alles irgendwann mal wieder beruhigt, kann ich sie dir vielleicht erzählen. Aber jetzt nicht. Ich bin zu durcheinander. Und alles übrige ist sogar noch mehr durcheinander.«
»Klar, sicher«, sagte sie mit einem Anflug von Argwohn in der Stimme. »Wie dem auch sei, Ihre Frau ist wohl noch nicht zurück, wie?«
»Nein, noch nicht.«
»Wissen Sie, Mister Aufziehvogel, Sie sind ein erwachsener Mann. Warum benutzen Sie nicht gelegentlich mal Ihren Kopf? Wenn Ihre Frau es sich anders überlegt hätte und letzte Nacht zurückgekommen wäre, hätte sie Sie um diese Frau gewickelt vorgefunden. Und was dann?«
»Stimmt, das wär möglich gewesen.«
»Und wenn heut früh sie am Telefon gewesen wäre, nicht ich, und Sie fangen da an, von Telefonsex zu reden, was hätte sie wohl davon gehalten?«
»Du hast recht«, sagte ich.
»Ich sag’s ja, Sie haben ein Problem«, sagte sie mit einem Seufzer. »Das stimmt, ich habe wirklich ein Problem.«
»Hören Sie endlich auf, mir dauernd recht zu geben! Es ist ja nicht so, daß sich alles in Wohlgefallen auflöst, wenn Sie nur Ihre Fehler zugeben. Ob Sie sie zugeben oder nicht, Fehler bleiben Fehler.«
»Du
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